6. Bezirk, Mariahilf
Vom Raimund Theater zum Haus des Meeres
Der Stadtspaziergang diese Woche geht – mit ein paar Schlenkern nach rechts und links – die Gumpendorfer Straße im 6. Bezirk hinunter. Diese Ost-West-Achse ist, nachdem sich die parallel verlaufende Mariahilferstraße zur internationalen Einkaufsmeile gemausert hat, die eigentliche Schlagader des Stadtbezirks und entsprechend lebendig, bunt und abwechslungsreich.
Es ist eine fröhliche Straße – und sie hat auch allen Grund dazu: „Gumpendorfer“ heißt sie nämlich erst seit 1862. Vorher hieß sie „im Saugraben“ und „Kothgasse“, beides Bezeichnungen, die unschöne olfaktorische Assoziationen heraufbeschwören und unter denen man lieber nicht bekannt sein möchte. „Gumpendorfer“ ist zwar nicht originell, aber wenigstens nicht anrüchig…
Geht man vom Westbahnhof in Richtung dieser Straße, sollte man einen kleinen Umweg über das Raimund Theater einplanen. Zum einen ist diese 1893 eröffnete Spielstätte kulturhistorisch als Uraufführungsort von Werken wie dem „Dreimäderlhaus“, „Bel Ami“, „Tanz der Vampire“ oder „I am from Austria“ bedeutsam. Zum anderen ist aber auch das Gebäude selbst interessant: lauter bzw. eindeutiger „Ich bin ein Theater!“ rufen als dieses Haus kann ein Gebäude fast nicht.
Dass auch ein Wohnhaus ein wenig phantastisch daherkommen kann, sieht man dann am ersten Haus, dass man in der Gumpendorfer Straße unbedingt besichtige sollte: dem Arik-Brauer-Haus mit Hausnummer 134-138. Zwischen 1991 und 1994 von der Baugenossenschaft GESIBA errichtet, wurde das Gebäude von Peter Pelikan (der auch am Hundertwasserhaus beteiligt war) in Zusammenarbeit mit dem „phantastischen Realisten“ Arik Brauer konzipiert. Die Straßenfront ist mit bunten Fliesen dekoriert und auch das Innere des Hauses und der Innenhof tragen die Handschrift des Künstlers.
Wenn man die Möglichkeit hat, einen Blick in den eigentlich nicht öffentlich zugänglichen Flur und den Innenhof zu werfen, sollte man die Gelegenheit nutzen. Ich hatte dank eines freundlichen Hausbewohners das Glück und konnte so z.B. das zauberhafte Selbstportrait Brauers im Eingangsbereich betrachten. (Und einmal mehr einen Verdacht bestätigt sehen: die Wiener behaupten zwar von sich gerne, sie seien grantig und pessimistisch. Vermutlich ist das Selbstschutz. Mir ist in den drei Monaten, die ich hier lebe, nicht ein einziger unfreundlicher Wiener begegnet. Im Gegenteil, ich bin selten in einer Stadt so schnell mit Leuten ins Gespräch gekommen.)
Doch zurück auf die Gumpendorfer Straße.
An der Ecke, an der die bekannte Fleischerei Ringl ihre Qualitätsware für Mensch und Hund anbietet (Sehr sympathisch! Es gibt sogar einen eigenen Menupukt „Hundeköstlichkeiten“ auf der Webseite des Betriebs http://www.fleischerei-ringl.at/) muss man sich entscheiden: rechts die Grabnergasse hinunter geht es zum Geburtshaus von Oskar Werner, links die Stumpergasse hinauf zum Sterbehaus Joseph Haydns.
Ich entschied mich für Haydn.
Das Wohnhaus in der Haydngasse 19 – ich bin fast sicher, dass diese Straße zu seinen Lebzeiten nicht so geheißen hat – ist heute eine Dependance des Wien Museums und kann um 5,- Euro besichtigt werden. Es ist gut investiertes Geld. Die Ausstellung ist zwar nicht wirklich beeindruckend, aber das Anwesen ist bezaubernd. Die Holzdielen knarren als gäbe es kein Morgen, vom Tonband hört man einen Papageien krächzen (Haydn hatte einen Graupapageie, der angeblich „Gott erhalte Franz den Kaiser“ pfeifen konnte) und im Garten wachsen Birnen und Weintrauben. Es ist der Alterssitz eines weisen Genies, nicht das eines Kometen wie Mozart oder eines Misanthropen wie Beethoven. Papa Haydn eben.
Zurück auf der Gumpendorfer Straße stellt man fest, dass die Häuser umso prächtiger werden, je mehr man in Richtung Innere Stadt weitergeht. Die Bauherren hier scheinen sich einig gewesen zu sein: man zeigt im Baudekor, was man hat und kann. Nicht einig war man sich augenscheinlich bei der Traufhöhe, was der Straße bei aller Pracht eine leicht komisch-verrückte Note verleiht. Schildercluster aus unseren Tagen und leicht angegraute Schaufenster, die anscheinen zuletzt in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts dekoriert wurden, verstärken den leicht schrägen Eindruck noch.
Dass auch diese Straße schwere Zeiten hinter sich hat, sieht man, wenn man sich dem Esterhazy-Park und damit dem Ende des Spaziergangs nähert. Wie an mehreren anderen Stellen der Stadt, ragt auch hier ein wuchtiger Flakturm in den Himmel und erinnert an das Grauen des zweiten Weltkriegs.
Allerdings kommt selbst dieses Relikt finsterer Tage nicht gegen den Mariahilfer Lebenswillen an: er beherbergt heute das Haus des Meeres, ein Aquarium.
Bevor man hineingeht, lohnt sich allerdings noch ein weiterer kleiner Abstecher: direkt vor dem Eingang zum Aquarium geht es hinab in die Fundamente des Turms, ins Wiener Foltermuseum. Es ist ein Museum mit doppeltem Antlitz: die Puppen, mit denen man hier mittelalterliche Folterszenen nachstellt sind eher skurril. Aber die Ausstellung mit Dokumenten zu den Opfern von Folter heute und vor allem der Raum, in dem eine Stereoanlage die Geräuschkulisse eines Bombenangriffs simuliert, jagen einem kalte Schauer über den Rücken.
Uneingeschränkt erfreulich ist dann der letzte Punkt der Wanderung: das Haus des Meeres.
Auf elf Geschossen werden hier in Terrarien, Aquarien und Themenwelten insgesamt über 10.000 Tiere gezeigt. Die Präsentation ist dabei beeindruckend: etliche der Becken gehen über mehrere Stockwerke und bieten aus unterschiedlichsten Perspektiven atemberaubende Ansichten. Und im Tropenhaus bewegt man sich zwischen frei herumlaufende Äffchen, Tropenvögel und Fledermäusen. Ein absolut exzellent inszeniertes Zoo-Abenteuer und ein Pflichtbesuch für jeden Tier-Fan!
(Stadtspaziergang 03.08.2018)
Meine Tipps:
Wer einen Eindruck von der Entwicklung der Straße und des Stadtbezirks Mariahilf bekommen will, sollte das Bezirksmuseum in der Mollardgasse 8 (http://www.bezirksmuseum.at/…/bezirksmuseum_6/ausstellungen/) besuchen.
Das Haus des Meeres bietet ein umfangreiches Führungs- und Eventprogramm mit vertiefenden Informationen zu den Tieren im Haus an: www.haus-des-meeres.at/de/Kinder_Schule/Fuehrungen.htm
Und noch eine Empfehlung zum Haus des Meeres: vom „Cafe Sharky“ aus hat man einen schönen Blick auf die Dächer des Viertels. Und wer noch höher hinaus will, kann über die Turmstiege das Dach mit Ausblick über die ganze Stadt erreichen.
Wer einen Eindruck von der Entwicklung der Straße und des Stadtbezirks Mariahilf bekommen will, sollte das Bezirksmuseum in der Mollardgasse 8 (http://www.bezirksmuseum.at/…/bezirksmuseum_6/ausstellungen/) besuchen.
Das Haus des Meeres bietet ein umfangreiches Führungs- und Eventprogramm mit vertiefenden Informationen zu den Tieren im Haus an: www.haus-des-meeres.at/de/Kinder_Schule/Fuehrungen.htm
Und noch eine Empfehlung zum Haus des Meeres: vom „Cafe Sharky“ aus hat man einen schönen Blick auf die Dächer des Viertels. Und wer noch höher hinaus will, kann über die Turmstiege das Dach mit Ausblick über die ganze Stadt erreichen.