Götter, Kneipp und Enten

Zu den Brunnen im 3. Bezirk (3. Bezirk Landstraße)

Einer der faszinierenden Aspekte Wiens ist es, dass man anscheinend altbekannte Orte wieder und wieder besuchen kann – und doch immer Neues entdeckt, je nachdem, auf was man sein Augenmerk legt. So auch der heutige Stadtspaziergang, der bei leuchtendem Frühlingslicht vom Belvedere aus quer durch Landstraße führt.

Prinz Eugens Schlossanlage liegt in bequemer Nähe zu meiner Wohnung, ich bin dort häufig, sei es im Park zwischen den beiden imposanten Palais, sei es in einem der Museen, bei Klimt, bei den (zumeist) Zeitgenossen im Winterpalais oder in der kleinen, aber feinen Galerie der Gotik im Marstall.

Heute aber geht es mit dem Thema „Brunnen“ als rotem Faden von hier aus quer durch den 3. Bezirk – und mir fällt auf, dass ich die Wasserspiele im Belvedere-Garten zwar kenne, sie mir aber noch nie wirklich angesehen habe. Keine Ahnung, was sie darstellen, irgendetwas Nacktes, Tummelndes, Allegorisches wird es wohl sein.

Was ich weiß: Das Sommerpalais oben auf der Anhöhe, an dem ich meinen Spaziergang beginne, repräsentiert die Götterwelt des Olymp. So liegt es nahe, im sogenannten „Kaskadenbrunnen“, der die oberen beiden Terrassen miteinander verbindet, Entsprechendes zu erwarten. Und richtig: In der Mitte des Teiches tummeln sich drei Najaden und quälen ein Meerungeheuer, dass daraufhin seine Fontäne in die Höhe bläst. Nicht die allererste Garde der Göttinnen, aber immerhin unsterbliche Wasser-Nymphen. Darauf, höhere Gottheiten oder gar den Herr der Meere, Poseidon-Neptun, in seinen Hintergarten zu stellen, verzichtete der Feldherr wohlweislich. Die ranghöchsten Olympier waren dem Kaiserhaus vorbehalten, das ohnehin schon neidisch auf den Prachtbau des Savoyers  schaute, den sich die notorisch klammen Habsburger niemals hätten leisten können.

Auch die muskulösen Herren oben am Rand des Beckens – die jeweils ein Krokodil würgen -  und unten am Fuß der Kaskaden – hier werden ein Meerungeheuer und ein Greif gewürgt – sind zumindest Heroen oder Halbgötter.

Der untere Brunnen, „Muschelbrunnen“ genannt, der die mittlere Ebene mit dem untersten Parterre verbindet, muss mit etwas weniger heroischer Geste auskommen. Das obere Gesims krönt eine Anzahl Putten, und im Becken findet sich mit den Tritonen zwar wieder Göttlich-Fischiges, aber die wilden Gesellen haben einen schlechten Ruf, sie gelten als wollüstig und aufbrausend. Damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen, müssen sie deshalb hier ein schweres Muschelbecken stemmen.

Die Brunnen des Prinzen sind eindeutig Kunstwerke, die der Repräsentation der Verherrlichung ihres Erbauers dienten. Dass auch das Kaiserhaus die Feste (und sich selbst) zu feiern wusste, wenn und wo sie denn fielen, zeigt der nächste Brunnen des Spaziergangs. Direkt am Fuß der Belvedere-Anhöhe sprüht am Ende des Schwarzenberg-Platzes der Hochstrahlbrunnen seine gewaltigen Wassermassen in den am heutigen Tage  strahlendblauen Wiener Himmel. Er wurde 1873 anlässlich der Fertigstellung der I. Wiener Hochquellwasserleitung von Kaiser Franz Joseph eingeweiht.

Dass er heute als optische Einheit mit dem dahinterliegenden Halbkreis des Heldendenkmals der Roten Armee wirkt, ist dem Gespür der sowjetischen Propaganda für effektvolle Inszenierungen geschuldet – der Brunnen kann nichts dafür. 

Nur wenige hundert Meter weiter findet sich im Straßengewirr der Marokkanerbrunnen, ein kleines Meisterwerk der Mosaikkunst, das der damalige König Hassan II 1998 als Zeichen der Freundschaft zwischen seinem Land und Österreich aufstellen ließ. Der Text auf dem Brunnen ist eine Sure des Koran, deren Zeile „unser Gott und euer Gott ist einer“ man sich heute gar nicht oft genug vor Augen führen kann.

Von hier aus ist es ein gutes Stück Weges zum Stadtpark, dessen östlicher der Wien gelegener Teil zum 3. Bezirk gehört. In ihm finden sich der Kneipp-Brunnen, der 1912 aus der Begeisterung für die Heilmethoden des Wörishofener Geistlichen heraus installiert wurde und eine Nachkriegsreproduktion des Labetrunkbrunnens von 1909, auf dessen Sockeln eine steinerne Mutter just das tut, was der Name des Brunnens nahelegt: Sie labt ihr ebenso steinernes Kind mit einem Trunk.

Künstlerisch bedeutender ist der Karl-Borromäus-Brunnen auf dem Platz vor dem Bezirksamt.  Das Gemeinschaftswerk des Bildhauers Josef Engelhart und des Architekten Jože Plečnik wurde ebenfalls 1909 enthüllt und ist eines der bedeutendsten Werke des Jugendstils in Wien. Die Szenen aus dem Leben des Mailänder Geistlichen sind gelungen, wenn auch in Aussage und Ausführung reichlich bigott. Wer Spaß haben will, sollte einen genaueren Blick auf das Wasserbecken mit seinen Ranken, Fröschen und Molchen werfen. In alter Tradition versinnbildlichen sie sicher Unschickliches, sind aber de facto die Sympathieträger dieser Brunnenanlage.

Wenig spektakulär sind die beiden nächsten Stationen der Wanderung, der Brunnen vor dem Hundertwasserhaus, immerhin mit einem Mosaik-Tierkreis des Meisters in der Brunnenschale, und das Wasser-Ensemble im Leonie-Rysanek-Park, das immerhin seiner Funktion, zwischen den Häusern für Kühlung zu sorgen, elegant gerecht wird.

Den Schlusspunkt setzt ein zauberhaftes Werk der Bildhauerin Gertrude Conrad im Hof der Wohnhaus-Anlage Kleingasse 6–18. „Haustiergruppe“ nennt sich der Brunnen von 1951/ 52, und zeigt eben dies: Katzen, Hunde, Entchen, ein Lamm, Vögel und noch mehr sympathisches Kleingetier. Einen größeren Gegensatz zur pompösen Repräsentationsarchitektur des Ausgangspunkts am Belvedere lässt sich kaum denken als dieser tierische, aber durch und durch menschliche Brunnen, der nichts will, als die Anwohner erfreuen.

Schade, dass er heute (noch ?) kein Wasser führt. Und darum beende ich den Weg nicht hier, sondern am wichtigsten „Quell“, den Landstraße zu bieten hat – am nahegelegenen Donaukanal. A seinem Ufer ist im Frühling unübersehbar die größte Künstlerin Wiens am Werk: Mutter Natur.

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Meine Tipps:

- Auch wenn ich am Tag da war: Der Hochstrahlbrunnen ist am besten nachts zu erleben, wenn er abwechselnd in Rot, Rosa, Gelb, Violett, Blau und Grün leuchtet. Die Beleuchtung ist übrigens historisch und wurde bereits 1906 installiert.

- Wer mehr über das Belvedere erfahren will, sollte sich den Podcast von Edith Michaeler und Fritzi Kraus mit Geschichte und Geschichten rund um dieses Weltkulturerbe anhören: https://www.erzaehlmirvon.wien/schloss-belvedere

 

© Hartmut Schulz 2023

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