3. Bezirk, Landstraße
Von Weißgerbern und Hundertwassern
Kommt man vom Bahnhof Wien Mitte oder - noch näher gelegen – vom Radetzkyplatz, ist der Einstieg in unsere heutige Tour kaum zu übersehen: die neugotische Kirche St. Othmar dominiert mit ihrem 80 Meter hohen Turm das Weißgerberviertel und ist fast von jeder Straßenecke zu sehen. Somit ist dieses Gebäude, erbaut von Friedrich von Schmidt, dem Architekten des Wiener Rathauses, der ideale Ausgangs- und Orientierungspunkt für einen Rundgang durch dieses Grätzel.
Auf dem von der Innenstadt donauabwärts gelegenen Gelände am Fluss hatten sich nach der Ersten Wiener Türkenbelagerung 1529 Gerberbetriebe angesiedelt – daher der Name. Im Bereich der Innenstadt hatte man sie nicht haben wollen. Verständlicherweise, denn die Tierhäute und die oft mit Urin versetzen Farbstoffe stanken entsetzlich.Davon ist heute natürlich nichts mehr zu riechen, die Gegend zwischen Hetzgasse und Donaukanal ist jetzt ein beliebtes mittelständisches Wohngebiet. Farbig ist es allerdings immer noch, und das gleich in mehrerer Hinsicht: schon am Kolonitzplatz (so heißt das Straßengeviert um St. Othmar) fällt auf, dass hier auf engstem Raum Menschen aus aller Herren Länder leben und dem Viertel sein Gesicht geben. Traditionelle Wiener Gaststätten liegen zwischen chinesischen Restaurants und italienischen Eiscafés, und Zeitungsstände mit türkischen, rumänischen und englischen Magazinen in den Auslagen finden sich neben schreiend bunten Comic-Läden. Aber irgendwie passt das alles gut zusammen.
Farbig ist es hier aber noch aus einem anderen Grund: das Weißgerberviertel ist das „Hundertwasser-Viertel“. Doch davon später mehr.
Zunächst geht es die Hetzgasse und Löwengasse hinunter zu einem gleichermaßen charmanten wie skurrilen kleinen Museum: im Haus Nummer 28 befindet sich das Fälschermuseum Wien, das ich hier unbedingt empfehlen möchte. Wie der Name schon nahelegt, sind die Werke „von“ Raffael, Klimt, Monet und all die anderen Ausstellungobjekte nicht das, was sie zu sein vorgeben. Es handelt sich durch die Bank um… ja, um was eigentlich? Es gibt nämlich feine Unterschiede zwischen Stilfälschungen, Totalfälschungen, Identfälschungen, Verfälschungen, Plagiaten und Kopien. Was es damit auf sich hat, erfährt man eben hier in diesem Museum. Und wenn Fragen offen bleiben: die freundlichen Mitarbeiter helfen sicher gerne weiter.
Dass das Museum nicht die einzige Sehenswürdigkeit in dieser Straße ist ahnt man, wenn man die Straße einige Meter weiter geht und plötzlich (in diesem sonst eher un-touristischen Viertel) dutzende von Personen mit gezückter Kamera sieht: an der Ecke Kegelgasse/ Löwengasse steht das verspielt-bunte Hundertwasserhaus. Zwischen 1983 und 1985 von der Gemeinde Wien in Zusammenarbeit mit dem berühmten Maler und Umweltaktivisten Friedensreich Hundertwasser (1928 - 2000) erbaut, lenkt das Gebäude mit seiner gewellten Fassade, den leuchten farbigen, knubbeligen Säulen und der wild wuchernden Begrünung alle Blicke auf sich.
Das ist etwas unfair: das nebenstehende Gebäude, in dem neben der Litauischen Botschaft auch der Palais des Beaux-Arts untergebracht ist, ist mit seinem leuchtend weißen Jugendstil auch den ein oder anderen Blick wert. Unbeachtet, wie sie leider sind, blicken die Weltkugel-tragenden monumentalen Frauenfiguren denn auch etwas sauertöpfisch auf das nebenstehende Hundertwasser-Gewirr.
Von hier aus schlängelt man sich durch die Wohnstraßen hinunter zum Donaukanal. Eines fällt auf: auch wenn das Hundertwasserhaus an Farbigkeit schwer zu schlagen ist, die ganze Gegend ist kreativ und detailverliebt. Da schlängeln sich die Fantasiemuster auf dem Gehsteg weiter, während der Figurenschmuck an anderen Hauswänden ganze Geschichten erzählt. Dazwischen Designerläden, kleine Galerien und Antiquariate – für einen Samstagvormittag die ideale Stöber-Umgebung.
An der eigentlichen Weißgerberlände, dem Schiffsanleger am Donaukanal, erwartet einen dann wieder der Meister persönlich: der Zugang zur nach ihm benannten Hundertwasser-Promenade entlang des Wassers ist deutlich in seinem Stil gehalten.
Folgt man dem Weg Richtung Innenstadt, findet man hinter der Franzensbrücke dann eine ganz andere, aber ebenso bunte Kunst: der Tunnel zum Angelo-Soliman-Weg ist ein Paradies für Sprayer. Hier sieht man, dass diese „Schmierereien“ durchaus Kunst sein können. Ohne die leuchtend-pinke Maus oder die wohlgefälligen Katzen wäre dies nur ein hässlicher Verbindungsweg, jetzt ist es eine kleine und natürlich inoffizielle Street-Art-Galerie.
„Offizieller“, aber ebenso verspielt, wird es, wenn man hinter dem Tunnel den Abzweig in die Obere Weißgerberstrasse nimmt: hier befindet sich ein weiteres Hundertwasser-Haus, das man aber nicht nur von außen bestaunen kann, sondern das ganz dem Werk dieses Künstlers gewidmet ist: das KUNST HAUS WIEN. Museum Hundertwasser. Ganz egal, wie man zu Hundertwasser steht: ein Besuch lohnt. Zum einen finden hier auch andere bedeutende Ausstellungen mit den Schwerpunkten zeitgenössischen Kunst und Fotografie statt, zum anderen entfaltet die farbig-schillernde Bilderwelt Friedensreich Hundertwassers hier, wo man etliche seiner Werke im Original, eng nebeneinander gehängt, erleben kann, eine ganz eigene Magie. Man kann sich diesem Zauber nur schwer entziehen.
Wenn man dann wieder hinaus kommt: das Café im Innenhof (das man auch ohne Museumseitritt besuchen kann) ist ein empfehlenswerter Ruhepunkt.
Mit Melange und Apfelstrudel im Magen kann man sich dann auf den kurzen Weg durch das Häusergewirr zum Radetzkyplatz machen. Touristische „Highlights“ warten hier keinen mehr, umso mehr lohnt es, das Grätzel selber zu betrachten: mal sind es bunten Hausfassaden ( teilweise gehört echt Mut dazu, solche Fassadenfarben nebeneinanderzusetzen), mal ein Katze-in-Kunst-Schaufenster oder ein alter Leuchtschriftzug, die zeigen: Hundertwasser war nicht der einzige, der dieses Viertel mit seiner Fantasie und Inspiration geprägt hat.
(Stadtspaziergang 10.09.2018)
meine Tipps:
Das Fälschermuseum, bei dem nicht nur die Sammlung, sondern auch der Shop zum Stöbern einlädt. Und der ganz besondere Tipp, wenn man ein etwas ausgefallenes Geburtstagsgeschenk sucht: für 200 Euro kann man für ein Jahr die Patenschaft für eine Fälschung übernehmen. Echte Kunst kann man in Wien an jeder Ecke fördern – aber falsche?? Nur hier (www.faelschermuseum.com)!
das Kunst Haus Wien/ Museum Hundertwasser (www.kunsthauswien.com). Sammlung bestaunen und dann mindestens genauso viel Zeit im Café einplanen. Und Kunstfans aufgepasst: unbedingt einen Blick in die sgn. Garage werfen.
Das Fälschermuseum, bei dem nicht nur die Sammlung, sondern auch der Shop zum Stöbern einlädt. Und der ganz besondere Tipp, wenn man ein etwas ausgefallenes Geburtstagsgeschenk sucht: für 200 Euro kann man für ein Jahr die Patenschaft für eine Fälschung übernehmen. Echte Kunst kann man in Wien an jeder Ecke fördern – aber falsche?? Nur hier (www.faelschermuseum.com)!
das Kunst Haus Wien/ Museum Hundertwasser (www.kunsthauswien.com). Sammlung bestaunen und dann mindestens genauso viel Zeit im Café einplanen. Und Kunstfans aufgepasst: unbedingt einen Blick in die sgn. Garage werfen.