3. Bezirk, Landstraße
Die verletzte Stadt - Vom Heeresgeschichtlichen Museum zum Arenbergpark
Längs der Gleise des Hauptbahnhofs sieht man eine ganze Reihe roter Backsteinbauten, einen riesigen Gebäudekomplex irgendwo zwischen mittelalterlicher Ritterburg und Alhambra. Es sind die Gebäude des Arsenals, eines ab 1850 erbauten Areals für Soldaten und Waffen in nächster Nähe zur „unbotmäßigen“ Wiener Innenstadt. Nach den Erfahrungen des Revolutionsjahres 1848 wollte das Haus Habsburg sichergehen…
Imposantester Bau des Geländes ist das 235 Meter lange Zeughaus, das, schon kurz nach seiner Erbauung in „Waffenmuseum“ umbenannte, von der erfolgreichen Kriegsgeschichte Österreichs erzählen sollte. Es wurde das erste Museum seiner Art auf der Welt.
Betritt man den Bau, wird man von einer ganzen Heerschar österreichischer Militärs begrüßt: an jeder Säule der neugotischen „Feldherrenhalle“ lehnen gleich mehrere überlebensgroße Herrscher und Generale aus edelstem Carrara-Marmor und schauen überheblich auf die hereinströmenden Besucher. Dazwischen funkelt es bunt und golden – ein Eindruck größtmöglicher Pracht, der sich im Treppenhaus mit seiner marmornen Austria und vor allem in der „Ruhmeshalle“ fortsetzt.
Dieser Raum, der eigentlich an die Offiziere der diversen Kriege der vergangenen Jahrhunderte erinnern soll, ist von einer derart überbordenden Pracht, dass er schon wieder Spaß macht. Neuschwanstein lässt grüßen, und Hollywood könnte diese Saal ohne weiteres für jeden Mittalalter-Schinken nutzen.
Die sich anschließenden Säle des ersten Stocks widmen sich dann tatsächlich der Heeresgeschichte: Ölbilder von Generalen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, das Katafalk des Prinzen Eugen, ein türkisches Zelt. Auf der anderen Seite ein französischer Kriegsballon, der Löwe von Aspern (im Modell) und die Totenmaske Kaiser Maximilians von Mexiko. Dazwischen Uniformen und vor allem: Waffen, gut geputzt und ornamental attraktiv angeordnet. Krieg als ästhetisches Erlebnis.
Dass all dies Schein ist, dass Krieg eigentlich Leid, Schmutz und Entsetzen ist, machen erst die Räumlichkeiten im Erdgeschoss klar. Hier, wo es um die Zeit ab 1914 geht, sind es dann nicht mehr goldene Paradesäbel, die beeindrucken, sondern Flakgeschütze, zerschossene Militärwagen und die Kreuze gefallener Soldaten. Dazwischen Zeugnisse des Alltags der nicht-militärischen Bevölkerung in Zeiten des Krieges. Ein beeindruckender Kontrast zu den oberen Räumen.
Noch unter dem Eindruck des Museums entdeckt man dann auch in seiner unmittelbaren Umgebung die Zeugnisse der Kriege des 20ten Jahrhunderts. Der Schweizergarten, durch den es nun geht, erinnert mit seinem Namen an die Schweizer Hilfe zum Wiederaufbau Österreichs nach dem ersten Weltkrieg, und die triste Bebauung in den Straßen jenseits des Landstraßer Gürtels zeigt, dass nach dem zweiten Weltkrieg von diesem Stadtgebiet nicht mehr viel übrig war. Und richtig: fast an jedem Gebäude erzählt eine Gedenktafel vom Untergang dieses Stadtteils in den Kriegsjahren. Dass die Atmosphäre hier nicht endgültig ins Depressive abdriftet, dafür sorgt die unzerstörbare Liebe der Wiener zur Kunst: sobald in den 60er Jahren wieder Geld vorhanden war, wurden an etlichen der trostlosen Mietskasernen Skulpturen und Mosaike angebracht, kleine Oasen der Fröhlichkeit inmitten des Memento Mori für das alte Landstraße.
Zu den Lichtblicken zählt auch der botanische Garten der Universität, der, parallel zu den Gärten des Belvederes, bis zum Rennweg hinunter geht. Als Medizingarten gegründet von Maria Theresia, finden sich heute auf dem Gelände Bäume und Gewächse aus aller Herren Länder, jedes Exemplar liebevoll mit einem keinen Schildchen versehen, das Namen und Herkunft verrät. Da gibt es amerikanische Mammutbäume, Bambus aus China, Drachenbäume von den Kanaren und eine typische Wiese aus dem Wienerwald. Lehrreich, sicher, vor allem aber auch jetzt im Herbst ein erholsamer Ort zum Spazierengehen und Seele-baumeln-lassen.
Seelisch ausgeglichen sollte man denn auch sein, wenn man sich hinter dem Botanischen Garten in der verkehrsintensiven Wirklichkeit des Rennwegs wiederfindet. Nur vereinzelt steht hier noch der historische Baubestand, es dominieren die Nachkriegszeit mit Rauhputz und Beton und die Moderne mit Glas und Aluminium. Dass es sich auch hier leben lässt, zeigen die bunten Graffiti, die zwischendurch das graue Einerlei aufmuntern.
Aber manchmal versagt sogar die Farbe: quer durch die Gassen erreicht man den Arenbergpark. Hier stehen – grau und drohend gegen den Herbsthimmel – Wiens größte Flaktürme.
Errichtet in den Kriegsjahren nach 1942, waren sie eine Stadt in der Stadt: in den untersten drei Stockwerken brachte sich die zivile Bevölkerung des Stadtteils bei Bombardements in Sicherheit, im vierten Stock war ein komplettes Spital untergebracht. Gespenstischer Weise wurde der Krieg, vor dem dieser Komplex doch Sicherheit bieten sollte, im sechsten Stock quasi produziert: hier war eine Produktionsanlage der „Flugmotorenwerke Ostmark“ unterbracht.
Alles in allem ein finsteres Areal, das sich bis heute gegen jede sinnvolle friedliche Nutzung zu wehren scheint. Bestenfalls als Lager und Depot genutzt, stehen die beiden Türme da, grau und schlecht gelaunt, für nichts zu brauchen, aber auch nicht zu beseitigen. Ein Mahnmal für eine Zeit, die es so nie wieder geben darf, es sei denn, im Museum.
(Stadtspaziergang 25.10.2018)
Betritt man den Bau, wird man von einer ganzen Heerschar österreichischer Militärs begrüßt: an jeder Säule der neugotischen „Feldherrenhalle“ lehnen gleich mehrere überlebensgroße Herrscher und Generale aus edelstem Carrara-Marmor und schauen überheblich auf die hereinströmenden Besucher. Dazwischen funkelt es bunt und golden – ein Eindruck größtmöglicher Pracht, der sich im Treppenhaus mit seiner marmornen Austria und vor allem in der „Ruhmeshalle“ fortsetzt.
Dieser Raum, der eigentlich an die Offiziere der diversen Kriege der vergangenen Jahrhunderte erinnern soll, ist von einer derart überbordenden Pracht, dass er schon wieder Spaß macht. Neuschwanstein lässt grüßen, und Hollywood könnte diese Saal ohne weiteres für jeden Mittalalter-Schinken nutzen.
Die sich anschließenden Säle des ersten Stocks widmen sich dann tatsächlich der Heeresgeschichte: Ölbilder von Generalen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, das Katafalk des Prinzen Eugen, ein türkisches Zelt. Auf der anderen Seite ein französischer Kriegsballon, der Löwe von Aspern (im Modell) und die Totenmaske Kaiser Maximilians von Mexiko. Dazwischen Uniformen und vor allem: Waffen, gut geputzt und ornamental attraktiv angeordnet. Krieg als ästhetisches Erlebnis.
Dass all dies Schein ist, dass Krieg eigentlich Leid, Schmutz und Entsetzen ist, machen erst die Räumlichkeiten im Erdgeschoss klar. Hier, wo es um die Zeit ab 1914 geht, sind es dann nicht mehr goldene Paradesäbel, die beeindrucken, sondern Flakgeschütze, zerschossene Militärwagen und die Kreuze gefallener Soldaten. Dazwischen Zeugnisse des Alltags der nicht-militärischen Bevölkerung in Zeiten des Krieges. Ein beeindruckender Kontrast zu den oberen Räumen.
Noch unter dem Eindruck des Museums entdeckt man dann auch in seiner unmittelbaren Umgebung die Zeugnisse der Kriege des 20ten Jahrhunderts. Der Schweizergarten, durch den es nun geht, erinnert mit seinem Namen an die Schweizer Hilfe zum Wiederaufbau Österreichs nach dem ersten Weltkrieg, und die triste Bebauung in den Straßen jenseits des Landstraßer Gürtels zeigt, dass nach dem zweiten Weltkrieg von diesem Stadtgebiet nicht mehr viel übrig war. Und richtig: fast an jedem Gebäude erzählt eine Gedenktafel vom Untergang dieses Stadtteils in den Kriegsjahren. Dass die Atmosphäre hier nicht endgültig ins Depressive abdriftet, dafür sorgt die unzerstörbare Liebe der Wiener zur Kunst: sobald in den 60er Jahren wieder Geld vorhanden war, wurden an etlichen der trostlosen Mietskasernen Skulpturen und Mosaike angebracht, kleine Oasen der Fröhlichkeit inmitten des Memento Mori für das alte Landstraße.
Zu den Lichtblicken zählt auch der botanische Garten der Universität, der, parallel zu den Gärten des Belvederes, bis zum Rennweg hinunter geht. Als Medizingarten gegründet von Maria Theresia, finden sich heute auf dem Gelände Bäume und Gewächse aus aller Herren Länder, jedes Exemplar liebevoll mit einem keinen Schildchen versehen, das Namen und Herkunft verrät. Da gibt es amerikanische Mammutbäume, Bambus aus China, Drachenbäume von den Kanaren und eine typische Wiese aus dem Wienerwald. Lehrreich, sicher, vor allem aber auch jetzt im Herbst ein erholsamer Ort zum Spazierengehen und Seele-baumeln-lassen.
Seelisch ausgeglichen sollte man denn auch sein, wenn man sich hinter dem Botanischen Garten in der verkehrsintensiven Wirklichkeit des Rennwegs wiederfindet. Nur vereinzelt steht hier noch der historische Baubestand, es dominieren die Nachkriegszeit mit Rauhputz und Beton und die Moderne mit Glas und Aluminium. Dass es sich auch hier leben lässt, zeigen die bunten Graffiti, die zwischendurch das graue Einerlei aufmuntern.
Aber manchmal versagt sogar die Farbe: quer durch die Gassen erreicht man den Arenbergpark. Hier stehen – grau und drohend gegen den Herbsthimmel – Wiens größte Flaktürme.
Errichtet in den Kriegsjahren nach 1942, waren sie eine Stadt in der Stadt: in den untersten drei Stockwerken brachte sich die zivile Bevölkerung des Stadtteils bei Bombardements in Sicherheit, im vierten Stock war ein komplettes Spital untergebracht. Gespenstischer Weise wurde der Krieg, vor dem dieser Komplex doch Sicherheit bieten sollte, im sechsten Stock quasi produziert: hier war eine Produktionsanlage der „Flugmotorenwerke Ostmark“ unterbracht.
Alles in allem ein finsteres Areal, das sich bis heute gegen jede sinnvolle friedliche Nutzung zu wehren scheint. Bestenfalls als Lager und Depot genutzt, stehen die beiden Türme da, grau und schlecht gelaunt, für nichts zu brauchen, aber auch nicht zu beseitigen. Ein Mahnmal für eine Zeit, die es so nie wieder geben darf, es sei denn, im Museum.
(Stadtspaziergang 25.10.2018)
Meine Tipps:
Das Heeresgeschichtliche Museum bietet Führungen durch die Ausstellung, vor allem auch für Kinder und Jugendlche. Infos unter https://www.hgm.at/kulturvermittlung/fuehrungen.html.
Ab den Sommerwochenenden finden im Botanischen Garten der Universität die Gartenführung statt, Infos unter http://www.botanik.univie.ac.at/hbv/
Das Heeresgeschichtliche Museum bietet Führungen durch die Ausstellung, vor allem auch für Kinder und Jugendlche. Infos unter https://www.hgm.at/kulturvermittlung/fuehrungen.html.
Ab den Sommerwochenenden finden im Botanischen Garten der Universität die Gartenführung statt, Infos unter http://www.botanik.univie.ac.at/hbv/