2. Bezirk, Leopoldstadt
Pizza, Schnitzel, Nazarener
Von der Schwedenbrücke aus gesehen gibt sich Leopoldstadt mit den beiden schrägen Hochhäusern – dem Mediatower und dem Hotel SO/ Vienna – ein modernes und glanzvolles Entrée. Selbst an einem kalten Regentag, wie dem Tag des heutigen Stadtspaziergangs.
Geht man allerdings nicht die Taborstraße, die Lebensader des Bezirks, entlang, sondern schlägt den Weg rechter Hand in das Häusergewirr bis hin zur Praterstraße ein, zeigt sich, dass Wien durchaus noch Bereiche hat, in denen die Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs bis heute nicht ganz überwunden sind.
Die Namen der Straßen sind dabei klangvoll: Große und Kleine Mohrengasse, Zirkusgasse, Odeonsgasse, Glockengasse. Man hört förmlich das Leben durch dieses Grätzel toben, die für die Leopoldstadt der Vorkriegsjahre so typische Mischung aus Kleinindustrie, Unterhaltung und vornehmlich jüdischem Alltag.
Vor allem mit letzterem hatten die Nazis nach 1938 aufgeräumt: Vertreibung, Deportation und Ermordung der Leopoldstädter Juden führten zu einem starken Bevölkerungsrückgang des Bezirk. Bombardements, noch im letzten Kriegsjahr 1945, taten ihr Übriges, um die „alte“ Leopoldstadt auszuradieren. Was blieb, ist bis heute ein Bereich, dem, eingeklemmt zwischen zerstörter Vergangenheit und noch nicht eingetretener Moderne, eine eigenartig verlorene Stimmung zu eigen ist.
Eines der wenigen baulichen Highlights dieses Stadtviertels findet sich direkt an der Praterstraße. Die Johann-Nepomuk-Kirche aus dem Jahr 1846 beherbergt ein Kuriosum: die vierzehn großformatigen und farbenprächtigen Gemälde des Kreuzwegs, gemalt vom Nazarener Joseph von Führich sind die international meist kopierten Bildwerke diesen Genres überhaupt. In hunderten anderen Kirchen weltweit, aber auch als Buchillustrationen und Erbauungsbildchen wurden diese Wiener Bilder von anderen Künstlern kopiert, abgewandelt und adaptiert. Sogar einen eigenen Gattungsbegriff haben sie geprägt: den Führich-Kreuzweg.
Die dahinterliegenden Straßenzüge sind eher eine Topografie es Verlusts, das Gedenkschild für den Türkischen Tempel in der Zirkusgasse steht dabei stellvertretend für das jüdische Leben, das so lange verschwunden war. Glücklicherweise ist es inzwischen nach Wien zurückgekommen, und grade die Leopoldstadt profitiert von ihrem historischen Erbe.
Aber nicht nur jüdische Geschäfte und Restaurants lassen sich wieder hier nieder: zwischen Praterstraße und Nordbahnstraße lädt das neue, multikulturelle Wien zu (unter anderem) kulinarischen Experimenten ein. Es gibt afrikanische und russische Shops, jamaikanische, italienische und indische Imbisse, Restaurants vom Balkan und von der Levante. Am besten bringt die ganze Vielfalt, die in Wien jetzt ihre Heimat gefunden hat, das Schild an einer Wirtschaft auf dem kleinen Markt am Volkertplatz auf den Punkt. „Kebap. Pizza. Schnitzel“ steht dort – mehr Multikulti geht nicht, mehr Wien kaum.
Eine Überraschung erlebt, wer sich über die Nordbahnstraße hinauswagt, etwa die kleine Straße „Am Tabor“ entlang. Hier, im Bereich des ehemaligen Nordbahnhofs, entsteht derzeit die neue Leopoldstadt. Moderne Wohnbebauung, aber auch Hotels, Gastronomie, das Veranstaltungszentrum innerhalb des Austria Campus, ein Park, der noch heranwachsen muss – all das ist noch so neu, so wenig vom Alltagsleben abgenutzt, dass es sich derzeit kaum sagen lässt, ob hier ein neues pulsierendes Grätzel heranwächst, oder nur seelenloser Wohnraum für die Massen. An einem Schlecht-Wetter-Wochenende begegnet dem Spaziergänger in den Straßenfluchten jedenfalls kaum ein Mensch. Aber was soll es: schauen wir halt in ein paar Jahren dort noch einmal nach...
Zumal am östlichen Ende dieses Areals auch schon das dieswöchige Endziel erreicht ist: über die mächtige Auffahrt auf die Reichsbrücke sieht man die Mexikokirche liegen. Sicher einen Besuch wert – aber das wird eine andere Geschichte.
(Stadtspaziergang 09.01.2019)
Meine Tipps:
Von der Loft-Bar im Hotel SO/ Vienna hat man einen einzigartigen Blick über Wien, vor allem über den 1. Bezirk. Besonders in den Abendstunden ist die Location unschlagbar: www.so-vienna.com/bars-restaurants
Montags bis Samstag unbedingt einen (hungrigen) Besuch wert: der Volkertmarkt. Öffnungszeiten hier: www.wien.gv.at/freizeit/einkaufen/maerkte/lebensmittel/volkertmarkt.html
Von der Loft-Bar im Hotel SO/ Vienna hat man einen einzigartigen Blick über Wien, vor allem über den 1. Bezirk. Besonders in den Abendstunden ist die Location unschlagbar: www.so-vienna.com/bars-restaurants
Montags bis Samstag unbedingt einen (hungrigen) Besuch wert: der Volkertmarkt. Öffnungszeiten hier: www.wien.gv.at/freizeit/einkaufen/maerkte/lebensmittel/volkertmarkt.html