15. Bezirk, Rudolfsheim-Fünfhaus
Zwischen Stadthalle und Schmelz - das Nibelungenviertel
Am Abend des 23. Mai 2015 war die Aufmerksamkeit von mehreren hundert Millionen Fernsehzuschauern auf diesen Ort gerichtet: der ORF übertrug aus der Wiener Stadthalle das Finale des 60. Eurovision Song Contests, den Conchita Wurst im Jahr zuvor nach Österreich geholt hatte.
Damit rückte ein Gebäude ins Zentrum des medialen Geschehens, das seit seiner Eröffnung im Jahr 1958 polarisiert: einerseits wurde der Hallenkomplex als zeittypisches Bauwerk für denkmalschutzwürdig befunden, andererseits ist die rein funktional entwickelte Architektur des Gebäudes bis heute ein Fremdkörper im Stadtbild. Unbestritten ist allerdings ihre kulturelle Bedeutung in Wien – von den Bee Gees bis zu Justin Timberlake sind hier durch die Jahrzehnte alle Größen des Rock- und Pop-Geschäfts aufgetreten.
Damit rückte ein Gebäude ins Zentrum des medialen Geschehens, das seit seiner Eröffnung im Jahr 1958 polarisiert: einerseits wurde der Hallenkomplex als zeittypisches Bauwerk für denkmalschutzwürdig befunden, andererseits ist die rein funktional entwickelte Architektur des Gebäudes bis heute ein Fremdkörper im Stadtbild. Unbestritten ist allerdings ihre kulturelle Bedeutung in Wien – von den Bee Gees bis zu Justin Timberlake sind hier durch die Jahrzehnte alle Größen des Rock- und Pop-Geschäfts aufgetreten.
Dabei kann man sich eigentlich kaum einen Ort vorstellen, der weniger als Standort für einen Unterhaltungsbetrieb geeignet scheint als dieses Gelände am westlichen Ende der Schmelz. Just hier lag nämlich bis zur Auflassung der kommunalen Friedhöfe 1888 der Schmelzer Friedhof, auf dem 1848 die Toten der Märzrevolution bestattet worden waren. Ihr Denkmal wurde auf den Zentralfriedhof verlegt, im ihnen gewidmeten Märzpark vor der Stadthalle erinnert aber eine Steintafel an ihre Bedeutung für die Demokratisierung Österreichs.
Wer in der Stadthalle tanzt, tanzt also gewissermaßen auf Gräbern.
Allerdings vermutlich nicht mehr lange, die Tage der Nutzung des in die Jahre gekommenen Baus als Unterhaltungstempel sind gezählt. Die Stadt Wien plant in Neu St. Marx eine Multifunktionshalle von internationalem Zuschnitt, die Stadthalle soll zur reinen Sportstätte umgewidmet werden. Wann? 2024 steht im Raum, aber das ist noch ungewiss. Wie so oft ist der Wunsch da, allein, es fehlen die Mittel.
Doch lassen wir die Stadthalle endlich hinter uns und gehen durch den seitlich gelegenen Vogelweidpark und die gleichnamige Straße und schließlich die Langmaisgasse hinunter. Rechterhand liegt die Christkönigkirche, und wenn man an der linken Seite vor dem Café Kriemhild steht, weiß man, dass man das Nibelungenviertel erreicht hat. Die Straßen des Grätzels heißen tatsächlich nach den Sagengestalten des Epos. Da gibt es die zentrale Markgraf-Rüdiger-Straße mit ihrem schönen alten Baumbestand, die Gunther-, die Gernot- und die Giselhergasse und so weiter.
Ein kurzer Blick in die Christkönigkirche lohnt mehr wegen ihrer historischen Bedeutung als weil sie Sehenswertes zu bieten hätte. Diese zurückhaltende Bauweise entspricht der Absicht der Initiatorin der Gründung, der seligen Hildgard Burjan, der Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis. Sie wollte die Kirche dem Andenken des1932 verstorbenen Altbundeskanzlers Ignaz Seipel gewidmet sehen. Und in der Tat wurde dieser 1934, nach Fertigstellung der Kirche in ihrer Krypta bestattet, ebenso wie der in diesem Jahr ermordete Engelbert Dollfuß. Allerdings nur bis 1939, dann verlegten die Nationalsozialisten deren Gräber.
Der Wegbereiter des Ständestaats und der Diktator des Austrofaschismus. Ein problematisches Erbe, mit dem die heutige Kirchengemeinde mit ihrer Hinwendung zu den sozialen Problemen der Gegenwart souverän umgeht.
An der Kirche über die Markgraf-Rüdiger-Straße hinweg befindet man sich dann endgültig in den Straßenzügen des eigentlichen Nibelungenviertels. Eines fällt sofort auf: die für Wien typische Mischung aus Häusern aller Epochen seit dem Barock fehlt hier völlig. Es herrscht durchgehend eine bürgerliche, gezähmte Variante des Jugendstils. Der Grund ist einfach: das Gelände wurde erst ab 1911 bebaut, nachdem die Schmelz nicht mehr als militärischer Exerzierplatz verwendet wurde. Nach einigen Jahrzehnten des Verfalls werden die Gebäude heute wieder renoviert und erstrahlen im alten Glanz.
Es macht Spaß, kreuz und quer durch das Grätzel zu wandern, zumal einige der Bauten sehenswert sind. So zum Beispiel der ein wenig wie ein altdeutscher (Nibelungen!) Marktplatz samt Marktbrunnen wirkende Forstner-Hof in der Alliogasse 27 – 33. Oder der vom gleichen Architekten – Gottlieb Michal - stammende, auf der anderen Straßenseite den Forsterhof ergänzende, Wohnbau des Pensionistenclubs der Stadt Wien mit seinen gepflegten Höfen und phantasievollen kleinen Gärten.
Mit dem in der Hütteldorfer Straße 16 – 22 gelegenen Ebert-Hof hat das Nibelungenviertel auch einen denkmalgeschützten Gemeindebau mit mächtigen Arkaden als Eingang und einem dicht begrünten Innenhof zu bieten. In diesem befindet sich der „Frühlingsbrunnen“ mit der Bronzefigur eines nackten Buben mit Vögeln auf dem Arm. Die Statue wurde vom Bildhauer Anton Endstorfer 1912 geschaffen und ist reinster elegantester Jugendstil . In unseren heutigen politisch korrekten Zeiten wäre ein solches Sujet wohl kaum noch möglich…
Begrenzt die Hütteldorfer Straße das Nibelungenviertel nach Süden, liegt sein nördliches Ende bei der Gablenzgasse, die man zum Beispiel vorbei am (moralisch diesmal einwandfreien) „Indischen Elefanten“ des Bildhauers Herbert Schwarz aus den 50er Jahren erreicht.
Hier geht das Nibelungenviertel in die Kleingartenanlage „Zukunft Schmelz“ über, die heute den zentralen Teil des ehemaligen Militärgeländes bedeckt. An die alte Nutzung erinnert allerdings noch die gegenüber dem Eingang zur Anlage an der Gablenzgasse gelegene Graf-Radetzky-Kaserne aus dem Jahr 1896. Seit 1980 ist hier das Militärkommando Wien des Bundesheeres untergebracht. Von einer Verlegung an eine andere Stelle, die immer wieder in der Diskussion war, wird inzwischen abgesehen. Derzeit wird das prächtige Gebäude – wie so Vieles in Wien – renoviert.
Mit der geballten Macht und Pracht des österreichischen Militärs im wahrsten Sinne des Wortes „im Rücken“ erreichen wir nun aber auf dem Hauptpfad durch die Kleingartenanlage das „Schutzhaus Zukunft auf der Schmelz“ mit seinem baumbestandenen Gastgarten. Kurioserweise schließt sich damit der thematische Kreis dieses Spaziergangs. Denn neben seinem kulinarischen Angebot ist das Schutzhaus über den Bezirk hinaus auch als Veranstaltungsort für Kabarett und Konzerte bekannt. Nicht ganz so groß wie die Stadthalle – aber definitiv „Wienerischer“.
(Stadtspaziergang 28.07.2019)
Mein Tipp:
Wer die großen Namen aus Pop und Rock erleben möchte, findet das Programm der Stadthalle unter http://stadthalle.wien
Wer den „lokalen Gegenentwurf“, das Schutzhaus Zukunft auf der Schmelz besuchen möchte: die Adresse der Webseite lautet www.schutzhaus-zukunft.at
Und da aller guten Dinge drei sind: auch das Café Kriemhild bietet ein abwechslungsreiches Programm mit Kleinkunst (und darüber hinaus natürlich alles, was man von einem Wieer Café erwarten darf). Info unter www.kulturcafe-kriemhild.at
Wer die großen Namen aus Pop und Rock erleben möchte, findet das Programm der Stadthalle unter http://stadthalle.wien
Wer den „lokalen Gegenentwurf“, das Schutzhaus Zukunft auf der Schmelz besuchen möchte: die Adresse der Webseite lautet www.schutzhaus-zukunft.at
Und da aller guten Dinge drei sind: auch das Café Kriemhild bietet ein abwechslungsreiches Programm mit Kleinkunst (und darüber hinaus natürlich alles, was man von einem Wieer Café erwarten darf). Info unter www.kulturcafe-kriemhild.at