14. Bezirk, Penzing
Von der Wien zum Silbersee (Hütteldorf)
Wer die Wien – also den Fluss – nur aus den innerstädtischen Bezirken kennt, wird überrascht sein, hinter der Bräuhausbrücke in Penzing plötzlich auf einen lebendig plätschernden und frei dahinfließenden kleinen Flusslauf zu treffen. Dieser Bereich gehört zum im Jahr 2010 eröffneten Wienfluss-Weg vom Auhof am nördlichen Rand des Lainzer Tiergartens bis zur Kennedybrücke am Bezirksamt Hietzing. Hier in Hütteldorf ist ein besonders schöner Flussabschnitt, und wer an einem warmen Frühlingsnachmittag hierherkommt, kann tatsächlich glauben, ein naturbelassenes Wildwasser vor sich zu haben. Nur die hohen Uferwände deuten darauf hin, dass die Wien auch hier reguliert und bei Hochwasser alles andere als harmlos ist.
Bei Sonnenschein aber ist es idyllisch, Familien spielen am Wasser, Radfahrer sind auf dem Uferweg unterwegs und der Verkehrslärm der stark befahrenen Hadikgasse, weit oberhalb des Flussbetts, ist nur gedämpft zu hören.
Zwischen zwei Pfeilern der Hochbrücke mündet hier der Halterbach in die Wien – er wird der Wegweiser für diesen Spaziergang sein.
Seinem Verlauf durch einen Tunnel folgend, kommt man jenseits von Straße und Bahnstrecke am Ferdinand-Wolf-Park ans Tageslicht. Durch den losen Baumbestand und über zu dieser Jahreszeit bunt blühende Wiesen geht es durch ihn hindurch nach Hütteldorf.
Hineingebaut in den Park sind die Tagungs- und Bildungseinrichtung des Europahauses Wien. „Haus“ ist allerdings ein etwas irreführender Begriff, gehört zum weitläufigen Areal doch eine ganze Ansammlung von Gebäuden, angefangen vom modernen Rosenhotel über etliche Seminargebäude bis zur Orangerie.
Blickfang des Ensembles ist aber zweifelsohne das barocke Miller-Aichholz-Schlössel, auch Jagdschloss Esterházy genannt. Der prachtvolle, hochherrschaftliche Bau ist in gewissem Sinne ein Kuriosum, denn das vom Star-Architekten Fischer von Erlach geplante Schloss hat (bis auf die Esterházy-Jahre) zutiefst bürgerliche Geschichte: sowohl der Erbauer Johann Georg von Grechtler als auch der Namensgeber Dr. Heinrich Miller zu Aichholz waren auf Grund ihrer unternehmerischen Leistungen nobilitierte Bürgerliche, die mit dem Besitz einem solchen Gebäude zeigen konnten, was sie in der feudalen Gesellschaft des Habsburgerreiches erreicht hatten. Die Nachfahren Miller-Aichholz trat den Bau dann 1938 an den Staat ab, die Familie lebt aber bis heute in Wien. Das Schloss wird inzwischen als beliebte Hochzeits-Location genutzt.
Während die eindrucksvolle Schauseite des Gebäudes auf den Park hin ausgerichtet ist, ist das Schloss von der angrenzenden Linzer Straße aus kaum als solches auszumachen. Prächtig hingegen sind die Villen, die im 19ten Jahrhundert in seiner direkten Umgebung entstanden. Eine von ihnen, die biedermeierliche Villa Windisch-Graetz, kann mit einer ganz besonderen Historie aufwarten – passend zum nahegelegenen Schloss wieder an der Nahtstelle zwischen Adel und Bürgertum, wenn auch dieses Mal aus umgekehrter Perspektive. Die Villa war nämlich bis zu ihrem Tod im Jahr 1963 der Alterssitz der Elisabeth Marie Petznek, geschiedene Fürstin Windisch-Graetz, geborene Prinzessin Elisabeth Marie von Habsburg-Lothringen, Tochter des Kronprinzen Rudolf und Enkelin von Sissi.
Eine zwiespältige Figur, wie so viele Mitglieder des Erzhauses in dieser Zeit. Intellektuell brillant, engagierte sie sich zusammen mit ihrem zweiten Ehemann, dem sozialdemokratischen Politiker und Rechnungshofpräsident Leopold Petznek bei den Roten Falken und in der sozialdemokratischen Frauenbewegung. Für sie persönlich galten aber andere Maßstäbe: sie war zwar aus dem Haus Habsburg ausgetreten, glaubt man aber den Quellen und Berichten von Menschen, die sie gekannt haben, war sie bis ans Ende ihrer Tage voller Standesdünkel und machte ihrer Umgebung mit Arroganz und Herrschsucht das Leben schwer. Betrachtet man ihre letzten Tage hier in der Villa, bestätigen ihre Verfügungen dieses Bild: Villa samt der umfangreichen Kunstsammlung vermachte sie der Gemeinde Wien – nicht etwa, um den Wienern etwas Gutes zu tun, sondern weil sie ihre persönlichen Schätzen ihren Erben nicht gönnte. Ihre beiden Hunde ließ sie einschläfern – niemand sollte etwas besitzen, was Prinzessin Elisabeth gehört hatte. Empathie war ihre Sache nicht.
Sollten Gebäude so etwas wie ein eigenes Karma haben, so scheint es nur folgerichtig, das heute die Villa von der Österreich Soka Gakkai International genutzt wird, einer buddhistischen Laienorganisation. Sie ist der Förderung von Frieden, Kultur und Erziehung gegründet, ihre Mitglieder widmen sich ebenso karitativen Aufgaben wie der eigenen Erkenntnis. Vielleicht gleicht der heitere und weltoffene Charme, den Gebäude und Park heute ausstrahlen die tyrannischen Herrschaftsjahre der „Roten Erzherzogin“ aus…
Wer einige kurze Abstecher nicht scheut, sollte in der Linzer Straße noch zwei weitere Gebäude besuchen: das ehemalige Rekonvaleszentenhaus der Barmherzigen Brüder, mit der Hausnummer 466 in unmittelbarer Nähe der Windisch-Graetz-Villa gelegen, ist heute ein Wohnhaus mit einem bezaubernden Innenhof. Und an der Villa Vojcsik (Hausnummer 375) gibt es den phantasievollen Jugendstil des Otto Wagner-Schülers Otto Schönthal zu bewundern.
Zum „Meister“, zu Otto Wagner selbst, führt der Weg entlang des Halterbachs. Von der Endstation der Linie 49 aus geht es auf der Bujattigasse, vorbei an der verfallenen Villa des Seidenfabrikanten Franz Bujatti, bis zur Einmündung des Weges auf die Hüttelbergstraße. Hier stehen gleich zwei Villen des bedeutenden Architekten: linkerhand die sezessionistische Villa von 1912 – der letzte Wohnsitz des Architekten – rechts der klassizistische Vorgängerbau von 1888. Besonders letzte fällt auf,: zum einen ist der Bau selbst imposant, zum anderen war sie jahrzehntelang Wohnsitz des „phantastischen Realisten“ Ernst Fuchs, der das ohnehin überbordende Bauwerk zusätzlich mit etlichen Kunstwerken im Außenbereich in ein phantastisches Zauberschloss verwandelte. Die Villa beherbergt heute das dem Maler gewidmete Privatmuseum Ernst Fuchs.
Ein anderes Bauwerk in unmittelbarer Nähe der beiden Villen fällt dahingegen kaum auf, ist für die Geschichte der Stadt Wien aber mindestens ebenso bedeutend. 1804 wurde mit der Albertinischen Wasserleitung das erste großräumige Wasserleitungsprojekt der Stadt realisiert. Hier im Halterbachtal wurden mehrere Quellen erschlossen und über die Mariahilfer Straße nach Mariahilf, Neubau und in die Josefstadt geleitet. Der Rechteckbau mit dem hohen Satteldach gleich neben der späteren Wagner-Villa ist die Brunnenkammer.
Zwischen den beiden Villen verlässt der Weg nun Straße und Bach und es geht durch den Wald die Höhen des Penzinger Landschaftsschutzgebietes hinauf. Folgt man der Umzäunung der Fuchs-Villa erreicht man schon bald eine kleine Anhöhe mit weitem Blick hinüber auf die Hügel des Lainzer Tiergartens und darüber hinaus. Von dort aus ist es noch einmal eine kurze Viertelstunde zum Endziel dieser Wanderung, dem tief im Wald verborgenen Silbersee.
Der idyllische kleiner See war einmal Teil eines Gipsbergwerks. Heute liegt er ruhig und abgeschieden da und man ist, außer das hin und wieder ein Karpfen unter der Oberfläche seine Bahn zieht, mit sich und dem Wienerwald herrlich alleine.
(Stadtspaziergang 05.04.2019)
Meine Tipps:
Wer sich für die Arbeit der Österreich Soka Gakkai International oder den Buddhismus in Wien allgemein interessiert, findet weiterführende Informationen unter www.oesgi.org
Das Ernst-Fuchs-Museum ist ein Muss für alle Fans phantastischer Malerei. Außerdem kann man bei einem Besuch die Wagner-Villa von Innen bestaunen. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag 10:00 - 16:00 Uhr. Weitere Informationen unter https://www.ernstfuchsmuseum.at.
Der Silbersee liegt am Stadtwanderweg 4 (vergl. Stadtwanderung vom „Den Berg, den es nicht gibt“ vom 14.10.2018). Wer ihn ganz gehen will findet die Beschreibung unter https://www.wien.gv.at/…/freiz…/wandern/wege/wanderweg4.html
Wer sich für die Arbeit der Österreich Soka Gakkai International oder den Buddhismus in Wien allgemein interessiert, findet weiterführende Informationen unter www.oesgi.org
Das Ernst-Fuchs-Museum ist ein Muss für alle Fans phantastischer Malerei. Außerdem kann man bei einem Besuch die Wagner-Villa von Innen bestaunen. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag 10:00 - 16:00 Uhr. Weitere Informationen unter https://www.ernstfuchsmuseum.at.
Der Silbersee liegt am Stadtwanderweg 4 (vergl. Stadtwanderung vom „Den Berg, den es nicht gibt“ vom 14.10.2018). Wer ihn ganz gehen will findet die Beschreibung unter https://www.wien.gv.at/…/freiz…/wandern/wege/wanderweg4.html