11. Bezirk, Simmering
Pompes Funebres
Im Jahr 1881 fasste der Wiener Gemeinderat den Beschluss „berühmten Persönlichkeiten eigene Grabstätten im Zentralfriedhof zu widmen" – damit war der Startschuss für eine der beliebtesten Wiener Touristenattraktionen gefallen.
Im Gegensatz zu unserem Stadtspaziergang vom 23. November letzten Jahres, der sich dem Zentralfriedhof als Begräbnisort der Städter widmete und die Prominentengräber ausgespart hat, soll es dieses Mal genau darum gehen: um den Prachtboulevard für Wiens verblichene Größen.
Im Gegensatz zu unserem Stadtspaziergang vom 23. November letzten Jahres, der sich dem Zentralfriedhof als Begräbnisort der Städter widmete und die Prominentengräber ausgespart hat, soll es dieses Mal genau darum gehen: um den Prachtboulevard für Wiens verblichene Größen.
Es ist also eher ein Schaulaufen durch Pracht, Prunk und Geste, quer durch die Gräberfelder links und rechts der Hauptachse vom Tor 2 zur Friedhofskirche des Heiligen Karl Borromäus, gerne auch Lueger-Kirche genannt. Mit gutem Grund, wie wir noch sehen werden…
Doch nähern wir uns dem Gelände zunächst von außen, von der Haltestelle der Bim aus.
Anders als die übrigen, funktionalen Eingängen zum Zentralfriedhof, ist der von Max Hegele 1905 entworfene Haupteingang zum Gelände, das „Tor 2“, ganz großes Kino. Seine Konzeption mit den beiden skulpturengeschmückten Säulen am Eingang und den prächtig herausgeputzten flankierenden Gebäuden erinnert nicht von Ungefähr an den Eingang zum Ehrenhof des Schönbrunner Schlosses. Auch die beiden Aufbahrungshallen, die man links und rechts des Eingangs direkt nach dem Betreten der Friedhofsanlage sieht, passen in das imperiale Konzept: hier herrscht Gevatter Tod.
Wie man sich eine Leichefeier in dieser prächtigen Kulisse vorzustellen hat, darüber informiert das kleine Museum im Keller der Halle 2. Es bietet einen sehenswerten Überblick über die Begräbnisbräuche und Riten von der Gründung des Zentralfriedhofs in der Mitte des 19ten Jahrhunderts an bis in die Gegenwart. In den abgedunkelten Räumen findet sich so ziemlich alles, was man mit einer Beerdigung assoziiert: Leichenwagen und Särge, Totenmasken und Trauerkleidung, letzte Briefe und Sterbeanzeigen.
Wen dies alles gefühlsmäßig zu sehr mitnimmt sollte sich schnell in den Ausgangsbereich des Museum begeben: die hier auf einem großen Display abgespielte, animierte grafische Darstellung einer Kremierung ist so technisch geraten, dass jede emotionale Anwandlung im Keim erstickt wird. Wiens „Schöne Leich“ hat halt auch eine sehr profane Seite.
Zurück in der sommerlichen Sonne steht man nur wenige Meter hinter dem Torbereich vor den „Alten Arkaden“ (es gibt auch die „Neuen Arkaden“, rechts und links der Friedhofskirche). Diese Ziegelgänge gehören zu den ältesten Gebäuden auf dem Friedhof und beinhalten Grabgrüfte aus der Ringsstraßen-Ära. Die stolzen Besitzer hätten es sich wohl kaum träumen lassen, dass ihre großenteils hochwohlgeborenen Namen heute keinem mehr etwas sagen. Einen näheren Blick sind sie aber allemal wert, auch wenn die Titel und Taten der damaligen Adabeis heute längst im Sand der Zeit versunken sind: die Skulpturen sind exquisit und die feine Neorenaissance-Architektur der Arkaden selbst, besonders die gut erhaltenen Deckenfresken, lohnen mehr als nur ein flüchtiges Vorbeigehen.
Hinter diesen Arkaden beginnt dann, was dem Wiener Zentralfriedhof seinen Eintrag in die Touristenführer über die Stadt beschert hat. Links und rechts der Hauptachse liegt ein Großteil der Ehrengräber. Ca. 1.000 sind es auf dem gesamten Friedhofsareal, in fein abgestufter Wichtigkeit. Da gibt es das Ehrengrab, das ehrenhalber auf Friedhofsfdauer gewidmete Grab mit und ohne Obhut und das historische Grab – wer sich für die Unterschiede interessiert, wird auf den Seiten der Friedhofsverwaltung fündig (www.friedhoefewien.at).
Für den Besucher bietet sich eine andere Unterteilung an: folgt man den ausländischen, meist asiatischen oder amerikanischen Besucherströmen, gelangt man zu den Komponistengräbern von Beethoven, Schubert, Brahms, Strauss & Co.. Folgt man den Einheimischen, steht man vor Falco oder Udo Jürgens. Alle anderen prominenten Schauspieler, Maler, Literaten und Politiker werden zumeist in Ruhe gelassen.
Da mir grade auffällt, dass ich hier ausschließlich die männliche Schreibweise benutze – es sind tatsächlich überwiegend Männer, denen man ein Ehrengrab zugestanden hat. Frauen sind durchaus noch unterrepräsentiert, selbst unter den aktuelleren Zugängen…
Seien wir brutal und lassen wir alle hier Beerdigten auf einen Schlag sterben, auch wenn viele Gräber spannende Geschichten versprechen, etwa das des Malers und Polarforschers (!) Julius Payer oder die monumentale Katze auf dem Grab des Zeichners und Musikers Manfred Deix.
Als letzte Station – nein, als vorletzte, es gibt noch ein Schmankerl zum Schluss – steht nämlich das größte architektonische Schaustück des Zentralfriedhofs (anders kann man die Friedhofskirche kaum bezeichnen) auf dem Programm des Spaziergangs.
Neben der Otto-Wagner-Kirche am Steinhof gilt dieser Bau von Max Hegele als bedeutendster Sakralbau des Wiener Jugendstils. Bei der schieren Größe des Bauwerks nimmt diese Wertung kein Wunder, wenn auch zumindest das Äußere weniger vom Jugendstil als vielmehr von einer kuriosen Mischung aller möglicher historischer Stilrichtungen geprägt ist – von Altägyptisch über Renaissance bis hin zum bürgerlichen Ringstraßen-Stil. Gekrönt wird der 1911 fertiggestellte Bau von einer Kuppel, die entfernt an den römischen Petersdom erinnert.
Den Grundstein zu dem Gebäude wurde 1908 vom umtriebigen Wiener Bürgermeister Karl Lueger gelegt. Heute wegen seines Antisemitismus umstritten, war dieser Politiker, der die architektonische Topografie Wiens prägte wie kein zweiter, zu seiner Zeit in der Bevölkerung ungeheuer beliebt, was ihm nach seinem Tod einen Platz in der Gruft im Kellergeschoß der Kirche, direkt unter dem Hochaltar, einbrachte. Hier ruht er nun in einem Raum, der den Charm einer U-Bahn-Station mit dem eines mittelalterlichen Königsgrabs aus einem Hollywood-Film kombiniert.
Deutlich freundlicher – und stilistisch nun doch eindeutig Jugendstil – ist der Kirchenraum selbst. Geprägt wird er zum einen durch den farbenprächtigen Altarraum mit seinen goldgrundigen Malereien (Details zur Ikonografie unter http://www.luegerkirche.at/MAX%20HEGELE.pdf) zum anderen durch die prächtige blaue Kuppel mit der zentralen goldenen Sonne. Besonders, wenn helles Sonnenlicht durch eines der Fenster fällt, ist der Raum beeindruckend, zumal fast alle Details – von den Leuchten über den Türen bis zu den Weihwasserbecken – von höchster handwerklicher Qualität sind. In einem solchen Ambiente lässt es sich trefflich auf die Ewigkeit warten…
Den Lebenden sei allerdings nach dieser umfassenden Konfrontation mit den Wiener Pompes Funebres noch ein versöhnlicher Abschluss im Reich des Irdischen empfohlen. Mit einem kleinen Bogen über den Friedhof erreicht man durch das Tor 1 das Concordia Schlössl. Bei schönem Wetter ist sein Wirtsgarten zu Füßen der großen Christusstatue eine romantische Oase des Diesseitigen, Wiener Küche und Wiener Service (in all seiner Ambivalenz) inklusive.
(Stadtspaziergang 12.07.2019)
Meine Tipps:
Mehrere Anbieter bieten thematische Führungen über den Zentralfriedhof an. Einfach „Führung Zentralfriedhof“ in eine Suchmaschine eingeben (die Stadt kann man sich sparen, „Zentralfriedhof“ reicht bei der Berühmtheit der Location) und passende Führung aussuchen.
Wem die Fußwege zu weitläufig sind: der Zentralfriedhof verfügt mit der Linie 106 über eine eigene Buslinie. Fahrplan unter https://moovitapp.com/…/%C3%96PNV-line-106-Wien-3901-106149…
- Zum Ausklang bietetn sich ein Essen oder ein Kaffee im Concordia Schlössl an. Die Küche ist unprätentiös aber gut und die Atmosphäre im Garte ist wunderbar. Infos unter www.concordia-schloessl.at.
Mehrere Anbieter bieten thematische Führungen über den Zentralfriedhof an. Einfach „Führung Zentralfriedhof“ in eine Suchmaschine eingeben (die Stadt kann man sich sparen, „Zentralfriedhof“ reicht bei der Berühmtheit der Location) und passende Führung aussuchen.
Wem die Fußwege zu weitläufig sind: der Zentralfriedhof verfügt mit der Linie 106 über eine eigene Buslinie. Fahrplan unter https://moovitapp.com/…/%C3%96PNV-line-106-Wien-3901-106149…
- Zum Ausklang bietetn sich ein Essen oder ein Kaffee im Concordia Schlössl an. Die Küche ist unprätentiös aber gut und die Atmosphäre im Garte ist wunderbar. Infos unter www.concordia-schloessl.at.