11. Bezirk, Simmering
Von Schloss Neugebäude zum Friedhof der Namenlosen
Zwei Schlösser auf dem Weg, am Ende ein idyllischer Ort direkt an der Donau – das klang nach einem perfekten Plan für den dieswöchigen Stadtspaziergang, zumal bei prächtigem Sonnenschein und Temperaturen um die 30 Grad. Allein – Wien ist (bekanntlich) anders.
Und so wurde die Wanderung von Schloss Neugebäude via Schloss Kaiserebersdorf zum Friedhof der Namenlosen ganz anders, als geplant – und noch eindrucksvoller, als ich erhofft hatte.
Und so wurde die Wanderung von Schloss Neugebäude via Schloss Kaiserebersdorf zum Friedhof der Namenlosen ganz anders, als geplant – und noch eindrucksvoller, als ich erhofft hatte.
Von der U-Bahn-Station Simmering sind es mit dem Bus etwa 10 Minuten bis zur Bushaltestelle „Schloss Neugebäude“, und nach wenigen Metern durch eine Neubausiedlung sieht man auch schon die prachtvollen Dächer des Renaissancebaus. Was man zwischen den Bäumen sieht, ist ebenso eindrucksvoll wie hoch romantisch – und man fragt sich unwillkürlich, warum kaum jemand dieses Schloss kennt?
Nun, die Anlage war einfach von Anfang an vom Pech verfolgt. Kaiser Maximilian II (1527 - 1576) hatte für diesen Ort, an dem angeblich ein türkisches Heerlager gestanden hatte, gigantische Pläne: hier sollte zur Donau hin ein Schloss mit Tierpark, mehreren Gärten und „gestalteten Landschaften“ entstehen. 1568 begannen die Arbeiten, die beim Tode des Kaisers noch lange nicht beendet waren. Zwar wurde auch dann noch weitergebaut, 1597 ging aber endgültig das Geld aus.
In den folgenden Jahrzehnten dämmerte das Schloss vor sich hin, es diente vornehmlich als kaiserliches Tiergehege. 1752 war auch das vorbei, nachdem Franz Stephan den Schönbrunner Zoo ins Leben gerufen hatte. Seine Gattin, die große Maria Theresia, versetzte Schloss Neugebäude dann den finalen Schlag: die gigantischen Säulen am Hauptgebäude ließ sie abbauen – und als Kolonnaden-Gänge der Gloriette in Schönbrunn wiederverwerten! Neugebäude schenkte sie dem Militär, seitdem lagerten hier Waffen und Pulver.
1924 ging das Gebäude an die Stadt Wien, die aber wenig mit dem gigantischen Areal anzufangen wusste. Man wollte das inzwischen schwer geschädigte Gebäude niederlegen, Wohnungen und Fabriken sollten hier entstehen, auch an eine Erweiterung des Zentralfriedhofs bis hierher wurde gedacht. Und obwohl sich allmählich die Erkenntnis durchsetzte, dass man diese Reste eine kunsthistorischen Juwels der Renaissance nicht einfach sprengen konnte – ein klares Konzept, wie es mit dem Torso eines Schlosses weitergehen soll, gibt es bis heute nicht.
Aber immerhin, das Gelände um das Gebäude wird inzwischen als Event Location genutzt (Link weiter unten), aktuell findet hier der „Sommer auf Schloss Neugebäude“ statt, mit buntem Bühnenprogramm, Fressständen und einer ganzen Armada von Hüpfburgen für die Kinder.
Verlässt man das Schlossgelände und geht durch die angrenzende Siedlung zurück, fällt einzig die moderne, kantige Kirche Hl. Klemens Maria Hofbauer aus dem Jahr 1972 auf. Sie ist das, was man wohl als „für diese Zeit typisch“ beschreiben würde, interessant ist allerdings das Patrozinium. Hand aufs Herz: wussten Sie, dass Klemens Maria Hofbauer Schutzpatron von Wien ist? Nicht Stephanus (der ist „nur“ Domheiliger), nicht Leopold (der ist für ganz Niederösterreich zuständig), sondern dieser bescheidene Priester schützt unsere wunderbare Stadt!
Zurück auf der Kaiserebersdorfer Straße geht man eine Weile durch typischen Nachkriegsbebauung – gepflegt, aber unspektakulär – bis man den Ort selbst erreicht. Eigentlich ist es noch ein echtes Dorf, mit sympathischen Biedermeierhäuschen am Ortseingang, einem schönen Dorfanger, einer prächtigen Kirche – und einem großen, weiß in der Sonne glänzenden Schloss in der Ortsmitte. Lediglich der Stacheldraht rund um das Barockgebäude irritiert: das ehemalige kaiserliche Jagdschloss ist heute eine Justizvollzugsanstalt.
Nachdem man den Ortskern verlassen hat und – unter Bahnstrecke und Autobahn hindurch – die Mannswörther Straße in der Siedlung Albern erreicht hat, hat man alles, was an eine Stadt erinnert, endgültig hinter sich gelassen. Entlang der Straße reihen sich Hofgebäude, verschlossen zur Straße hin, und die meisten mit einem martialischen „Hier wache ich“-Schild an der Haustüre. Auch wenn mir auf der gesamten Strecke weder Mensch noch Hund begegnet sind: ab und zu scheint sich der ein oder andere Wachhund doch draußen die Pfoten zu vertreten. Anders ist nicht zu erklären, dass einem hier gleich mehrfach das berühmte „Sackerl-Gackerl“-Plakat begegnet. Sympathischer Lichtblick in dieser geradezu gespenstisch ruhigen Gegend: das leuchtend gelbe Gasthaus der Ortes.
Hier ist es also eindeutig wirklich ländlich, und so verwundert es auch nicht, wenn man plötzlich am Ortsausgangsschild von Wien steht.
Allerdings geht es nur einige Meter durch Niederösterreich – dann zweigt man zum Alberner Hafen und damit wieder auf städtisches Gelände ab. Zwischen Logistikzentren und Hafengebäude (die an diesem Tag mit ihren klaren Formen und freundlichen Farben im hellen Sonnenlicht aussahen wie überdimensionierte Playmobil Gebäude) geht es zum Ziel der Wanderung. Nur durch eine Baumreihe vom Hafen getrennt ist er dann auch erreicht: der Friedhof der Namenlosen.
Aber auch wenn es nur wenige Meter sind - man ist plötzlich in einer ganz anderen Welt.
Die Geschichte dieses Orts ist tragisch: zwischen 1840 und 1940 wurden hier die Donautoten bestattet, Menschen, die im Fluss ertrunken waren und von denen man oft weder Name, noch Herkunft noch Alter wusste. Und so stehen hier, mitten in einem kleinen Wäldchen, Reihen namenloser Holzkreuze, jedes mit der gleichen silbernen Christusfigur verziert. Ein eigenartiger Anblick.
Mehr möchte ich über diesen Ort eigentlich nicht sagen, nur, dass mich keine der großen Sehenswürdigkeiten Wiens bisher so sehr bewegt hat, wie dieser verwunschene Friedhof.
Wer das nachvollziehen möchte: machen Sie sich auf den Weg, diese Wanderung lohnt!
(Stadtspaziergang 21.07.2018)
Meine Tipps:
Wer sich für Schloss Neugebäude und Veranstaltungen dort interessiert findet Infos unter www.schlossneugebaeude.at/de/veranstaltungen
Für alle, die sich nicht alleine auf den Friedhof der Namenlosen getrauen gibt es dorthin gelegenetlich Führungen, Infos dazu z.B. unter www.wienfuehrungen.com/morbide-fuehrungen.html
Wer sich für Schloss Neugebäude und Veranstaltungen dort interessiert findet Infos unter www.schlossneugebaeude.at/de/veranstaltungen
Für alle, die sich nicht alleine auf den Friedhof der Namenlosen getrauen gibt es dorthin gelegenetlich Führungen, Infos dazu z.B. unter www.wienfuehrungen.com/morbide-fuehrungen.html