Faking Beethoven

Eine Spurensuche durch die Innere Stadt (1. Bezirk Innere Stadt)

Unter den großen Klassikern ist keiner in den Konzertsälen Wiens so präsent wie Ludwig van Beethoven. Vom mittelmäßig begabten Pianisten, der seine Zuhörerschaft in einem der vielen kleinen Säle der Stadt mit op.109, op.110, op.111 heimsucht (ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich diese Trias schon anhören musste) bis hin zu den Wiener Philharmonikern im goldenen Saal – Beethoven is everywhere. Touristen aus aller Welt pilgern zu seinem Grab auf dem Zentralfriedhof oder besuchen die sogenannten Beethoven-Wohnhäuser. Kein Werkfragment, dass nicht auf CD eingespielt in den einschlägigen Geschäften der Stadt verfügbar wäre, kein noch so kleiner Notizzettel von seiner Hand, der nicht schon Thema eines wissenschaftlichen Symposiums gewesen wäre.

Wien ohne Beethoven – kaum vorstellbar.

Umso erstaunlicher, wie unsichtbar dieser Titan im heutigen Stadtbild ist. An die sechzig Mal soll er in seinen 35 Jahren in Wien umgezogen sein, aber eine authentisch erhaltene Wohnung gibt es nicht – oder zumindest ist sie der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Selbst seine letzte Ruhestätte ist nicht, was sie zu sein vorgibt. Der Komponist wurde im Jahr 1827 auf dem Währinger Ortsfriedhof begraben, die Umbettung in das heutige Ehrengrab erfolgte erst 1888 – am anderen Ende Wiens.

Entsprechend entwickelte sich mein heutiger Stadtspaziergang, der sich eigentlich auf die Spuren des Komponisten in der Inneren Stadt machen sollte, thematisch zum Fehlschlag: Beethoven bin ich nicht begegnet. Stattdessen aber biete der Weg vom Beethoven-Denkmal nahe dem Stadtpark bis zum Pasqualatihaus auf der Mölker Bastei sehenswerte Einsichten in zwei Jahrhunderte Rezeptionsgeschichte. Gelohnt hat es sich also doch.

Es beginnt heroisch, beziehungsweise so, wie sich das Bildungsbürgertum des 19ten Jahrhunderts seine Helden gerne vorstellte: hoch oben, irgendwie griechisch-antik und vorzugsweise in Bronze. Das Denkmal, dass Caspar Ritter von Zumbusch im Jahr 1880 auf Betreiben der Gesellschaft der Musikfreunde schuf, erfüllt alle diese Kriterien, es ist historischer Akademismus reinsten Wassers. Immerhin ist die Parkanlage in ihrer Gesamtheit gelungen und entsprechend beliebt.

Der – scheinbare ? - Gegenentwurf zu dieser doch etwas angestaubten Beethoven-Apotheose findet sich einige hundert Meter weiter, im Gebäude der Secession am Karlsplatz. Im Keller des weltberühmten Baus befindet sich Gustav Klimts Beethoven-Fries aus dem Jahr 1901. Ursprünglich als eine Art Kommentar zur heute in Leipzig befindlichen Beethoven-Skulptur Max Klingers konzipiert, sind die Bilder Allegorien auf die berühmte 9. Sinfonie. Dass deren Schöpfer von der symbolüberladenen Visualisierung seiner Musik besonders begeistert gewesen wäre, darf man indes bezweifeln. Letztendes ist der modisch-freudianisch angehauchte Jugendstil Klimts ebenso zeitgebunden wie der Klassizismus Zumbuschs. Ein Tipp am Rande: Wer sich den hoch oben im Raum angebrachten Fries ansehen will, sollte das auf den Postkarten oder Kunstbänden, die im Foyer erhältlich sind tun. Details sind im Saal selbst kaum zu erkennen.

Authentischeren Beethoven atmen die Exponate der nächsten Station des Stadtspaziergangs.

Im Musikinstrumentenmuseum, korrekter, in der Sammlung alter Musikinstrumente des Kunsthistorischen Museums ist ein ganzer Saal Beethoven und seiner Zeit gewidmet. Neben einigen Bildern, darunter einem Portrait des 13jährigen Ludwig van, finden sich hier Hammerklaviere aus der Zeit so wie ein frühes Metronom Johann Nepomuk Mälzels. Der Erfinder und der Komponist kannten sich gut: Von Mälzel stammten die Hörrohre, mit denen der allmählich ertaubende Beethoven den akustischen Kontakt zur Umwelt zu erhalten hoffte. 

Das wunderbare am Musikinstrumentenmuseum – man ist hier mit den Exponaten zumeist allein. Die Institution fristet ein Schattendasein, was unter anderem daran liegt, dass man durch zwei andere Museen hindurch muss, um in die Ausstellungsräume zu gelangen. Es befindet sich nämlich gut versteckt in der Hofburg, Zugang bekommt man über den zweiten Stock des Weltmuseums und quer durch die Rüstkammer. 

Nach so viel Kunst und Kunsthandwerk ist eine Pause bitter nötig. Und es gibt sogar eine Möglichkeit, diese quasi „im Geiste Beethovens“ zu genießen. Denn zumindest eine Institution in der Inneren Stadt gibt es, die für sich beanspruchen darf, eine echte Beethoven-Stätte zu sein: das Café „Zum schwarzen Kameel“ in der Bognergasse zwischen Graben und Freyung. Der Tonsetzer, leiblichen Genüssen nicht abgeneigt, war hier Stammgast.

Vermutlich auch deshalb, weil der Wohnsitz eines seiner wichtigsten Mäzene nicht weit war. Fürst Ferdinand Kinsky gehörte zu den großen Förderern des Künstlers. Sein Palais an der Freyung 4, ein wunderbarer Bau von Barock-Großmeister Johann Lucas von Hildebrandt aus dem Jahr 1719, ist bis heute erhalten.

Skurriler Abschluss des Stadtspaziergangs – und ein wirklicher Beethoven-Fake – ist das nahegelegene Beethovenmuseum im Pasqualatihaus, Mölker Bastei 8. Hier betreibt das Wien Museum eine Beethoven-Gedenkstätte. Und tatsächlich wohnte der Komponist in den Jahren zwischen 1804 und 1814 mehrfach in dem Haus. Allerdings in der Wohnung vis-a-vis.

Auch Ausstellungs-technisch bietet das Museum wenig, man muss sich mit einigen Gemälden, Repliken und Faksimiles zufrieden geben. Dennoch, für jeden, der dem Wissen etwas abgewinnen kann, dass im Neben-Appartement die berühmte „Für Elise“ niedergeschrieben wurde, ist das Pasqualatihaus natürlich ein Muss.

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Meine Tipps:

- Die Sammlung Alter Musikinstrumente in der Hofburg – und wie man sie findet: https://www.khm.at/besuchen/sammlungen/sammlung-alter-musikinstrumente 

- Das Café Zum schwarzen Kameel gehört zur Reihe den klassischen Wiener Cafés in der Inneren Stadt und ist ein absolutes Muss. Die Homepage informiert ausführlich über Geschichte und Angebot: https://www.kameel.at

- Einen guten Überblick über die Beethoven-Stätten in ganz Wien bietet die Webseite https://erlebe-deine-hauptstadt.wien/250-jahre-beethoven/

© Hartmut Schulz 2023

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