1. Bezirk, Innere Stadt, 3. Bezirk, Landstraße, 4. Bezirk, Wieden
Rund um den Schwarzenbergplatz
Unvorstellbar, dass hier noch bis zur Mitte des 19ten Jahrhunderts freies Land war: heute ist der Schwarzenberplatz einer der wichtigsten innerstädtischen Verkehrsknoten, eng bebaut, vollgestellt mit dutzenden Ampeln, das Areal durchpflügt von den Gleisen und Weichen der Bim. Als Fußgänger hat man seine liebe Mühe, den Platz zu umrunden, denn alles ist hier auf das Auto zugeschnitten. Selbst, wenn einem das grüne Ampelmännchen einen kurzen Überweg gewährt, muss man aufpassen, nicht von einem Abbieger übersehen zu werden.
Dennoch – der Schwarzenberplatz ist einer schönsten, allemal einer der interessantesten Plätze Wiens.
Dennoch – der Schwarzenberplatz ist einer schönsten, allemal einer der interessantesten Plätze Wiens.
Dies liegt nicht zuletzt daran, dass er – von wenigen baulichen Ausreißern abgesehen – architektonisch aus einem Guss erscheint. Kein Wunder, denn der Schwarzenbergplatz ist nicht historisch gewachsen, sondern wurde nach Abriss der mittelalterlichen Stadtmauer 1858 bei der Bebauung der vorstädtischen Glacis neu angelegt. Er ist also ein Produkt der Ringstraßenära. Und, da von hier aus wichtige Straßen ausgingen – der Rennweg in Richtung Ungarn, die Prinz-Eugen-Straße zum Saatsbahnhof/ Ostbahnhof – eines der repräsentativsten zumal.
Die verkehrsreichste Straße, die den Platz in zwei Teile schneidet und heute optisch die größte Schneise schlägt, die Lothringer Straße, soll für diese Stadtwanderung der Wegweiser sein, denn an ihr wurden im Anschluss an den Ausbau des eigentlichen Platzes noch einige andere Sehenswürdigkeiten errichtet, die es sich auf dem Wege „mitzunehmen“ lohnt. So beginnt also der heutige Rundgang um den Schwarzenbergplatz – am Karlsplatz.
Denn zum einen ist dieser mit den Öffis wesentlich besser erreichbar, zum anderen aber beginnt hier die Lothringer Straße mit einem architektonischen Paukenschlag, den man sich keinesfalls entgehen lassen sollte: mit dem Gebäude des Musikvereins.
Zeitgleich mit der Bebauung des Schwarzenbergplatzes entstand hier zwischen 1867-1870 durch Theophil Hansen mit dem Neuen Musikverein und seinem goldenen Saal… nun, sagen wir es wie es ist: es entstand der schönste und klanglich beste Konzertsaal der Welt. Und, da seit 1959 von hier aus das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker in alle Welt übertragen wird, wohl auch der bekannteste.
Ein Gebäude der Superlative also, das wir aber heute im wahrsten Sinne des Wortes links liegen wollen, denn schräg gegenüber beginnt mit der Humboldt Bildungsgesellschaft an der Lothringerstraße und dem Haus der Kaufmannschaft der erste große Bebauungsblock des Schwarzenbergplatzes.
Ein Einschub an dieser Stelle: in diesem Artikel verbietet sich aus Platzgründen eine detaillierte Würdigung einzelner Häuser am und um den Platz herum. Über so ziemlich jedes Gebäude würde sich ein eigener Bericht lohnen, so prächtig, und so historisch wichtig sind die meisten von ihnen. Alle Neugierigen muss ich aber für dieses Mal auf Google verweisen.
Auf einer Verkehrsinsel direkt am Schnittpunkt zwischen Straße und Platz ehrt Wien übrigens den Barock-Bildhauer Georg Raphael Donner. Warum ausgerechnet hier, erschließt sich nicht wirklich, aber es scheint dem großen Künstler egal zu sein: mit entschlossenem Blick schaut er auf den zu seinen Füßen brandenden Autoverkehr.
Wäre er nicht aus Bronze, würde er vermutlich neugierig seinen Hals recken und nach rechts schielen, wo sich hinter dem Haus der Kaufmannschaft (wie gesagt: bitte googlen) mit der französischen Botschaft eines der kuriosesten Gebäude am Platz befindet – unbedingt ebenfalls googlen.
Die Botschaft ist reinster französischer Jugendstil und würde auch Paris alle Ehre machen. Dass Gerücht allerdings, der selbst für imperiale Wiener Verhältnisse etwas verhaltensauffällige Bau wäre mit all seinem Schwulst eigentlich für Istanbul geplant gewesen, und man habe die Baupläne verwechselt, stimmt nicht. Die Grande Nation wollte in Wien einfach auf die Pauke hauen – was durchaus auch gelungen ist.
Die nachdrücklcihste Präsenz auf dem Platz hat sich aber – im Anschluss an die Neugestaltung nach dem zweiten Weltkrieg - eine andere Nation gesichert: mit Säulenhalbrund und Riesenstatue feierte hier 1946 die Sowjetunion die Befreiung Wiens durch die Rote Armee mit einem gigantischen Denkmal. Worin die Propagandaarchitektur der ehemaligen Weltmacht sonst in aller Regel versagte, gelang aber erstaunlicher Weise hier: die Anlage wirkt – bei allem Pathos – nicht so gigantomanisch, wie sie vermutlich gedacht war, sondern gibt dem Platz eine gelungene optische Mitte.
Was dabei kaum jemand weiß: der „dazugehörige“ Hochstrahlbrunnen, der im Sommer mit seiner gigantischen Fontäne eine der Hauptattraktionen des Platzes ist, gehört eben nicht dazu. Er plätschert – oder besser: braust – hier schon seit 1873!
Beides zusammen – Denkmal und Brunnen – ergeben heute den städtebaulichen Kristallisationspunkt dessen, das aus dem „umbauten Raum“ der Ringstraßenära einen nach heutigen Maßstäben echten, funktionierenden Platz macht. Eindruckvoller jedenfalls, als es das dahinter verschwindende Palais Schwarzenberg je tun könnte, selbst wenn es – Wiens Dauerproblem mit seiner historischen Bausubstanz sei es geklagt – wieder in vollen Glanz erstrahlte. In 1,3, 5 oder 15 Jahren soll es wohl so weit sein.
Das die Stadt (hier ist nicht die Stadtverwaltung gemeint, sondern Wiens „kollektives Ich“, wenn ich so sagen darf) gelegentlich Schwierigkeiten mit seinen historischen Werten hat, zeigt auch ein Haus, das bei der Umrundung des Platzes kaum ins Auge fällt, aber einem der bedeutendsten Musiker des letzten Jahrhunderts gewidmet ist: das Arnold Schönberg Center. Obwohl dieser Komponist – man mag ihn mögen oder nicht - die Musik der Gegenwart beeinflusst hat wie kaum ein anderer, nimmt er im heutigen Musikleben kaum noch einen Platz ein, noch viel weniger aber im öffentlichen Bewusstsein. Aber die Musikstadt Wien ist so viel mehr als Mozart, Schubert und Walzer…
Ein Haus, das Schönbergs Andenken ruhig etwas stärker pflegen könnte, liegt nur einen Katzensprung entfernt in der Lothringer Straße, noch in direkter Sichtweite zum Schwarzenbergplatz: das Konzerthaus, 1913 inklusive noch heute existenter Eislauffläche als bürgerliches Gegenstück zum mondänen Musikverein geplant. Heute haben sich die Programme beider Häuser stark angeglichen, ein Besuch im Konzertsaal oder in dem im selben Haus untergebrachten Akademietheater lohnen aber allemal.
Direkt gegenüber liegt der Beethovenpark – mit gleich zwei Statuen des Komponisten (Zumbusch 1880, Lüpertz 2017), die gegensätzlicher nicht sein könnten. Denen, die das Lüpertz-Denkmal in Bausch und Bogen ablehnen, ohne es zu kennen, sei ein Besuch vor Ort empfohlen.
Wem das Kunstwerk selbst dann nicht gefällt, kann sich am neugotischen Bau des nebenanliegenden Akademischen Gymnasiums schadlos halten. Hier residiert, in einem „Neubau“ von 1866 des Ratshaus-Architekten Friedrich Schmidt, Wiens ältestes Gymnasium von 1553. Die Liste seiner prominenten Schüler ist ellenlang. Eine Auswahl gefällig? Schubert, Nestroy, Wagner (Otto, nicht Richard), Hofmannsthal, Krupp, Meitner, Schnitzler, Schrödinger, Gulda. Alle davon (primär) Österreichs Crème de la Crème.
Mit einem Schlenker über die Christinengasse nähern wir uns wieder dem Schwarzenbergplatz, dieses Mal von der innerstädtischen Seite aus, vom Ring her kommend. Und wieder fällt seine doppelte Funktion auf: als Verkehrsdrehscheibe und als architektonische Visitenkarte der guten alten Zeit. Während in einem Gewirr aus Leitungen, links und rechts von Wartehäuschen der Wiener Linien flankiert, der namensgebende Feldherrn Karl Philipp Schwarzenberg seinem historischem Vergessen entgegenreitet, legen das Palais Erzherzog Ludwig Viktor und das gegenüberliegende Palais Wertheim beredtes Zeugnis vom exquisiten Geschmack der Ringstraßenära ab.
Eine kleine Anmerkung zum Palais Wertheim soll diesen Spaziergang denn auch beenden: selbst das hier „residierende“ McDonalds ist, dem Ambiente angemessen, historisch. Es ist das älteste in Österreich.
Ich bevorzuge allerdings das offiziell schon am Kärnter Ring gelegene Café Schwarzenberg. Wer also Fragen zum Platz hat, oder mit mir über Schönberg oder den Lüpertz-Beethoven streiten will, sollte an einem Samstag oder Sonntag hier vorbeikommen. Die Chancen, mich bei einer Melange an einem der Fensterplätze zu erwischen, stehen gut.
(Stadtspaziergang 27.12.2019)
Meine Tipps:
Die französische Botschaft ist auch in ihrem Innenleben ein Juwel des Jugendstils. Gelegentlich finden öffentliche Führungen statt, Infos unter https://at.ambafrance.org/Geschichte-der-Botschaft-und-
Im Arnold Schönberg Center finden hörenswerte Konzerte für Fans moderat-modernen Musik statt. Das Programm ist im Netz zu finden unter https://www.schoenberg.at/index.php
Die französische Botschaft ist auch in ihrem Innenleben ein Juwel des Jugendstils. Gelegentlich finden öffentliche Führungen statt, Infos unter https://at.ambafrance.org/Geschichte-der-Botschaft-und-
Im Arnold Schönberg Center finden hörenswerte Konzerte für Fans moderat-modernen Musik statt. Das Programm ist im Netz zu finden unter https://www.schoenberg.at/index.php