Wenn Kaiser reisen

Hofpavillon und Wagenburg in Schönbrunnk (13. Bezirk Hietzing)

Noch etwas angeschlagen von den letzten Wochen, muss ich mir die langen Distanzen in der kommenden Zeit wieder erarbeiten. Kein Grund aber, bei spätsommerlichem Kaiserwetter daheimzubleiben – Schönbrunn ist nahe und es ist früh genug am Morgen, um nicht im Strom der Touristen, die nach Ende der Pandemie Wien zu dieser Jahreszeit fluten, völlig unterzugehen. Zudem stehen heute zwei Museen auf dem Programm, die in der Publikumsgunst etwas hintanstehen. Zu Unrecht, wie ich im Vorfeld schon weiß, denn ich kenne die Ziele von vorangegangenen Besuchen. Dass es – eingedenk meiner heutigen Lauffaulheit – in beiden Fällen ausgerechnet um das Thema Mobilität geht, hat sicher eine eigene Ironie.

Zumindest Ziel Nr. 1, der Hofpavillon Hietzing, stellt in dieser Hinsicht keine Herausforderung dar: Es hat Gleisanschluss, heute an die U4, 1898, im Jahr seiner Vollendung, an die Oberen Wientallinie. Zweck des Baues war es, Kaiser Franz Joseph dem Letzten und seinem Hofstaat als Wartesaal zu dienen, sollte dieser einmal eine Fahrt per Bahn zu unternehmen geruhen. Seine kaiserliche Majestät geruhte allerdings nur zwei Mal – was, dies das Kuriose an dem Bau, vom verantwortlichen Architekten Otto Wagner wohl auch so intendiert war, denn die Hofzüge gingen zu der Zeit vom Bahnhof Penzing, befuhren dieser Strecke also gar nicht.

Der Verdacht liegt nahe, dass Wagner mit dem Hofpavillon ein anderes, eher eigennütziges Ziel verfolgte, nämlich seine Vision eines idealen Baus in perfekter Harmonie von Funktion und Form zu realisieren. Seine öffentlichen Stadtbahn-Stationen, tagtäglich von tausenden Wienern benutzt, waren Kompromisse, bei denen die Ausstattung hinter der Nutzbarkeit zurücktrat. Hier, in Hietzing, auf sozusagen kaiserlichem Privatareal (stimmt nicht ganz, das Gelände gehörte der Commission für Verkehrsanlagen, der Vorgängerin der Wiener Linien, die es aber dem Hof zur Nutzung überließ), hatte Wagner solche Beschränkungen nicht. Er konnte aus dem Vollen schöpfen – und schuf ein Meisterwerk.

Es ist früher Jugendstil vom Allerfeinsten, der den Besucher hier umgibt. Von außen eindeutig die in ihrer Zeit moderne Formensprache sonstige Stadtbahnstationen zitierend, besticht der Bau im Inneren durch ein bis ins Detail ausgearbeitetes Design. Ob die Stuckornamente des Vorraums oder die Ausstattung des achteckigen Warteraums, es ist Kunsthandwerk vom Feinsten, für mich persönlich der einzige gelungene imperiale Raum in Wien.

Der Überlieferung nach sah Kaiser Franz-Joseph, zeitgenössischer Architektur ohnehin nicht zugetan, dies anders.

Was die Habsburger sich unter standesgemäßem Reisen vorstellten, zeigt das zweite Ziel des heutigen Tages, die sogenannte Kaiserliche Wagenburg auf dem Schönbrunner Schlossgelände.

Es handelt sich dabei um einen Teil des historischen Fuhrparks des Hofes, beginnend mit einer Maultiersänfte aus dem 17. Jahrhundert bis zum „Hofautomobil“ von 1914. Bis 1922 in den Marställen der Hofburg, dem jetzigen Museumsquartier, wird die Sammlung von Prunk-, Gala-, Reise- und Jagdwagen, von Schlitten, Sänfte, Geschirren und Sätteln jetzt in der ehemaligen Winterreithalle in Schönbrunn gezeigt.

Was akademisch klingt, ist tatsächliche ein sehenswerter Einblick in die Entwicklung der Mobilität über gut drei Jahrhunderte hinweg. Es ist völlig unnötig, dass das Museum, seiner eigenen Attraktivität nicht trauend, eine ebenso zusammenhanglose wie vom Publikum weitestgehend unbeachtete Ansammlung von Kleidern der für Wien notorischen Sisi mit in den weitläufigen Raum gepfercht hat. Das Interesse der Besucher, die mit mir zusammen an diesem Morgen ihren Weg in die Ausstellung gefunden haben, liegt eindeutig bei den eigentlichen Objekten.

So spannend alle diese Karussellschlitten, Leib-Coupés und Jagdwürste sein mögen – in ihnen zeigt sich zugleich auf anschauliche Weise die Schizophrenie vor allem der späten Habsburgerzeit. Technisch immer auf neuestem Stand – vom Fahrkomfort dürften zwischen etwa einer Kutsche Maria Theresias und einem Reisewagen Sisis Welten liegen – beharrt das Kaiserhaus in der öffentlichen Repräsentation in absurden Ausmaß auf den Insignien absoluter Macht. Dass Kaiserin Elisabeth den überladenen Imperialwagen Kaiser Karls VI. von 1735 / 40 bei zeremoniellen Anlässen immer noch verwendete, spricht Bände über die Rückwärtsgewandheit des Erzhauses.

Darin allerdings zeigte man Konsequenz: Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen mit dem Hoftrauer-Galawagen von 1820 und dem Leichenwagen von 1877, zuletzt verwendet für Ex-Kaiserin Zita 1989, zwei Gefährte, die mit der finalen Reise der Herrscher in Verbindung stehen. Wenn man schon abtrat – dann mit Etikette.

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Meine Tipps:

Dieses Mal sehr naheliegend, finden sich hier die Informationen zu den beiden Museen:

- Hofpavillon Hitzing https://www.wienmuseum.at/de/standorte/otto-wagner-hofpavillon-hietzing

- Kaiserliche Wagenburg Schönbrunn: https://www.kaiserliche-wagenburg.at/

 

© Hartmut Schulz 2023

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