Einer fehlt auf dem Olymp

Die barocken Figuren im Schönbrunner Schlosspark (13. Bez Hietzing)

Wie bereits in der vergangenen Woche angekündigt, geht es auch an diesem Wochenende wieder nach Schönbrunn, wobei die Wege, die ich zurückzulegen habe, weitaus länger sind als der kurze Sprung zwischen den beiden Museen vergangene Woche. Der Park ist groß, zudem herrschen bei klarem blauen Spätsommer-Himmel gut 30 Grad. Also entschließe ich mich, erst gegen Abend loszugehen – zumal ich weiß, dass dann das Licht zum Fotografieren am schönsten ist.

Und schön müssen die Fotos diesmal werden, denn es gilt, Götter und Helden zu portraitieren. Keine echten, beide Gattungen sind derzeit in Wien rar, aber im Park stehen an die 50 Statuen, dazu kommen noch die Figuren am Neptunbrunnen, an der römischen Ruine, am Obelisken und oben, den Hügel hinauf, an der Gloriette. Normalerweise gehe ich, wie wohl fast jeder Besucher achtlos an der illustren Schar vorbei. Heute aber nicht, ich will doch mal schauen, wer sich eigentlich hier versammelt hat.

Dankenswerterweise gibt es auf der Webseite des Schlosses (Link unten) einen Gesamtplan aller Statuen inklusiv der Erklärung, wen sie jeweils darstellen sollen – aber ich muss teils tief in meinen Erinnerungen kramen, bis ich sie alle zuordnen kann. Zwei Dinge fallen allerdings direkt auf: Zunächst, ich bin in der römischen Sagenwelt unterwegs, nicht in der griechischen.

Das macht Sinn, denn das Haus Habsburg sah sich – römisch-deutsche Kaiser, die sie nun einmal waren – in der Nachfolge der Caesaren. Rom wiederum leitet seinen Gründungsmythos von Troja her, dass Aeneas, seinen alten Vater Anchises auf dem Arm aus den brennenden Mauern tragend, auf der Suche nach einer neuen Heimat hatte verlassen müssen.

Richtig: Gleich linker Hand am Anfang des sogenannten Großen Parterres, also der niedrig gehaltenen Mittelachse der Gartenanlage, stehen die beiden. Das tun sie übrigens seit 1777, als der Bildhauer Johann Wilhelm Beyer sie im Auftrag des Hofarchitekten Maria Theresias, Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg, hier anstellte. So, wi 31 weitere Statuen, die ich an dieser Stelle nicht alle auflisten möchte.

Zumal ich ohnehin nicht auf der schattenlosen Hauptachse bleibe, sondern mich gleich links ins Gebüsch schlage, wo, kurz hinter einer Statuengruppe von Alexander und seiner Mutter Olympias, auf dem Plan ein Denkmal verzeichnet ist, das mit noch nie aufgefallen war. „Familienmonument“ steht da – und tatsächlich, eine große Bronzevase steht auf einem Granitsockel, in dessen Vorderseite eine Relief Maria Theresias und vierer ihrer Töchter eingelassen ist. Errichten ließ das Werk 1803 eine eben dieser Töchter, Maria Karolinas, zu diesem Zeitpunkt schon Königin von Neapel. Wohl in Erinnerung an ihre Mutter und an die Schönbrunner Jugendzeit.

Mit diesen 5 Damen verlasse ich die Welt der Menschen, nun geht es endgültig in göttliche Gefilde. Auch, wenn die Najade, die auf halber Strecke die Obeliskalee schmückt, im römischen Pantheon noch recht weit unten angesiedelt ist. Mehr, als ein flaches Wasserbassin bewachen, muss sie ja auch nicht. Weitaus wichtiger ist da schon mein nächstes Ziel, dass ich über einen Platz mit einem kleinen Engelsbrunnen erreiche.

Es wundert mich jedes Mal aufs Neue, dass man hier, am Schönen Brunnen, so gut wie nie Touristen antrifft. Dabei ist dieser schmucke kleine Pavillon namensgebend für die gesamte Schlossanlage. Das sprudelnde Wässerchen wird von der Nymphe Egeria bewacht, einer der elegantesten Skulpturen des Parks. Durch das Eingangsgitter ist sie allerdings mehr schlecht als recht zu sehen, es lohnt sich, einmal um den Pavillon herumzugehen. Von der Rückseite aus sieht man zudem quer über den Weg ein flaches, merkwürdig geformtes Bauwerk im Hang. Die eigentliche Quellkammer des Schönen Brunnens.

Weitaus auffälliger, und daher zumeist von Touristen umlagert, ist die rechts daneben liegenden Römische Ruine. Entsprechend höherwertig auch die Gottheiten, die sich in der Mitte des Bassins tummeln. Mit Donau und Enns finden sich hier zwei echte Flussgötter. Wer aufschaut, kann zudem durch den Bogen in der Ferne Herkules mit Hydra und der Personifikation des Lasters kämpfen sehen. Dass das Bauwerk in Trümmern liegt, ist im Übrigen Absicht – Ruinen waren seiner Zeit der letzte Schrei in der Gartenbauarchitektur. Skurril ist allerdings der Name der Anlage, stellen die Ruinen nach Absicht Hetzendorf von Hohenbergs doch gar nicht Rom, sondern Karthago dar.

Auch wohl eher ein Mode-Accessoir, obwohl in seine Inschriften gelegentlich viel hineingeheimnist wird, ist das letzte Skulpturenensemble, bevor es zur Gloriette hinaufgeht. Aus einem Wasserbecken erhebt sich ein künstlicher Felsen, der wieder von Flussgöttern bevölkert wird. Ganz oben erhebt sich ein Obelisk als Symbol der Standhaftigkeit des Herrschers. Während die Römer diese allerdings aus Ägypten importierten, ist das Schönbrunner Exemplar hingegen ein echter Wiener. Inklusiv erfundener Hieroglyphen, die wohl irgendwie die Geschichte des Hauses Habsburg darstellen sollen.

Eine Nayade, eine Quellnymphe und eine ganze Handvoll Flussgötter – mir fällt auf, das der untere Bereich des Schönbrunner Parks fest in der Hand des nassen Elements zu sein scheint. Und der Neptunbrunnen, den ich allerdings erst auf dem Rückweg von der Gloriette besuchen werde, bestätigt das.

Eingangs hatte ich erwähnt, dass mich beim Blick auf den Plan zwei Themen irritiert hatten. In den Figuren im Park ist der ganze römische Götterhimmel vertreten, von der kleinsten Naturgottheit bis zu den Olympiern, zu Neptun, Diana, Apoll, Merkur und Athene.

Einer aber fehlt: Jupiter.

Vom Göttervater ist hier unten nichts zu sehen. Ich bin gespannt, ob ich ihn oben, bei der Gloriette finde .Statuen von ihm gibt es dort keine, das weiß ich. Aber bekanntermaßen zeigt Jupiter sich in vielerlei Formen.

Ruft man sich den Blick vom Schloss über das große Parterre und den Neptunbrunnen hinauf zur Gloriette in Erinnerung, kann einem durchaus der Gedanke eine Götterburg kommen. Und auch das eine oder andere Symbol der Macht lässt sich finden. Die vier großen Trophäenstücke an den Treppen zu den Seiteneingängen zitieren ganz unverhohlen die militärische Bildsprache des alten Rom, vom Schuppenpanzer über das Rundschild bis hin zu den Feldzeichen. Die Aussage ist klar: Wer hier oben ist, herrscht. Über alles Land zu seinen Füßen. Absolut. Dass vom Dach zudem noch ein Adler zum Triumphflug aufsteigt, passt, ist doch der Vogel nicht nur Symboltier Österreichs, sondern auch das Jupiters.

Hier kann es nur einen Herrscher geben – Habsburg. Für einen alten römischen Gott ist da keinen Platz.

Das mögen reine Hirngespinste sein, belegen kann ich nichts davon. Zum Selbstverständnis des Erzhauses würde es passen.

Wie auch immer, für mich geht es jetzt wieder hinunter in die feuchten Niederungen der Fluss- und Wasserwesen, denn es gilt noch dem Fürsten der Meere, Neptun meine Aufwartung zu machen. Er zieht auf seinem von Tritonen gerittenen Hippocampen gezogenen Muschelwagen über die schäumenden Wasser des Brunnens. Allerdings nicht mehr, als ich vorbeikomme, denn es ist kurz vor Schließung des Parks und die Verwaltung hat ihm bereits den Hahn abgedreht.

Die Zeit reicht gerade noch, um das Schlossgelände über den Ehrenhof mit den beiden Brunnen mit den Personifikationen der österreichischen Königreiche zu verlassen – dann liegt Schönbrunn für diesen Tag hinter mir.

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Meine Tipps:

- Eine ausgezeichnete Beschreibung des Parks sowie den von mir erwähnten Plan findet man unter https://www.schoenbrunn.at/

_ Wer sich wie ein Kaiser fühlen und auf Wien und die Welt herabblicken will, dem sei das Café in der Gloriette empfohlen: https://www.gloriette-cafe.at/

 

© Hartmut Schulz 2023

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